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Ägyptologie-Seminare > Die Entdeckung des Tutanchamun > 1 Der Jahrhundertfund

Die Entdeckung des Tutanchamun
– das Grab, die Schätze, die Rezeption –

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2022/23

 

In diesem Herbst (2022), genau 100 Jahre nach der Entdeckung des Grabes des Tutanchamun durch Howard Carter, stellen sich eine ganze Reihe verschiedener Fragen, wie die nach dem aktuellen Grabungsbefund (gibt es zusätzliche Kammern im Grab?), dem Konservierungsstand der Anlage ebenso wie des Grabschatzes, die politische und persönliche Situation des jungen Pharao, dessen Herrschaft am Ende der monotheistisch geprägten Amarna-Zeit bzw. am Wendepunkt der Rückkehr zu den alten Göttern lag, dem familiären Umfeld des jungen Pharao, seinem Gedunsheitszustand und eng verbunden damit die Frage nach der Ursache seines Todes vor 3346 Jahren. Es stellt sich aber auch die Frage nach der modernenen Rezeption all dieser Aspekte, die Frage, ob und wenn ja, warum, Tutanchamun und seine Geschichte die Menschen noch immer berühren.

Damals, 1922, eroberte der „goldene Pharao“ mit seinen fantastischen Schätzen und vor allem dem außerordentlichen Charisma seiner goldenen Totenmaske die Welt im Sturm, eine wahre „Tutmanie“ brach aus. Ist das heute immer noch so?
Diese letzte Frage kann man uneingeschränkt bejahen. Im Seminar haben wir uns diverse Beispiele wie nachgemachte Totenmasken, schrille Pop-Art-Bilder, Gedenkmünzen, Computerspielfiguren, Puzzle, Legobausätze, (selbstgebastelte) Masken, Bettwäschen, Bücher, Filme, T-Shirts, Rucksäcke, Badehosen und anderes mehr angesehen, die belegen, dass Tutanchamun nicht nur nach wie vor topaktuell ist, sondern auch fester Bestandteil der modernen Pop-Kultur geworden ist.

 

1 Der Jahrhundertfund

Carters langer Weg zu Tutanchamun

Howard Carter wurde am 9. Mai 1874 in Kensington, London geboren, er war das jüngste von insgesamt elf Kindern. Sein Vater war der Tiermaler und Zeichner Samuel John Carter, von dem Carter Talent und Begeisterung für das Zeichnen geerbt hatte. Den Quereinstieg in die Archäologie ermöglichte ihm der Ägyptologe und Botaniker Percy Newberry, der Carter im British Museum unterbrachte (Newberry gehörte später zu Carters Grabungsteam im Tal der Könige und untersuchte die botanischen Funde im Grab des Tutanchamun).

1891, im Alter von nur 17 Jahren, wurde Carter Zeichner und Maler für den Egypt Exploration Fund (heute: Egypt Exploration Society). 1892 war er mit Flinders Petrie in Amarna und dort für die Umzeichnung der Wanddekorationen im Grab Echnatons zuständig. 1893-99 arbeitete er im Team von Édouard Naville im Totentempel der Hatschepsut. In diesen Jahren erlernte Carter nicht nur die Hieroglyphenschrift, sondern auch die Grundlagen der Archäologie und Ägyptologie.

1899 wurde Carter zum Oberinspektor der Altertümerverwaltung in Oberägypten und Nubien berufen, er betreute in dieser Funktion u. a. die Ausgrabungen von Theodore Davis im Tal der Könige (KV 35). Carter ließ Restaurierungsarbeiten in mehreren Anlagen im Tal durchführen sowie 1903 einige von ihnen mit elektrischem Licht ausstatten. Er war sich der Bedeutung der Konservierung für den Erhalt der erschlossenen Gräber ebenso bewusst wie der Tatsache, dass das Verständnis der altägyptischen Kultur maßgeblich auch auf dem Verständnis der altägyptischen Texte fußte.
1905, Carter war inzwischen Inspektor für Unterägypten, wurde er nach einem Zwischenfall mit betrunkenen Touristen, die ein Ausgräberteam um Flinders Petrie bedrängt hatten, entlassen.

Im Jahr 1907 begann die Zusammenarbeit mit Lord Carnarvon, zunächst in der thebanischen Nekropole und im Nildelta. Als 1914 Theodore Davis seine Grabungslizenz für das Tal der Könige zurückgab, erwarb Lord Carnarvon diese umgehend für sich und Carter. Zwar hielten Davis und die meisten anderen Ägyptologen das Tal für „erschöpft“, doch Carter glaubte fest an weitere Gräber, speziell das des Tutanchamun: Seit 1906 waren verschiedene Fundstücke zu Tage gekommen, die den Namen Tutanchamuns trugen und die von Theodore Davis u. a. als einzige Überreste einer ansonsten zerstörten bzw. vollkommen ausgeraubten Grabanlage gesehen wurden. Carter erkannte jedoch richtig, dass die Funde sämtlichst dem Prozess der Einbalsamierung zuzuordnen waren oder Teil des üblicherweise in der Nähe des Grabes abgehaltenen Begräbnisbanketts waren, sodass er zu der Überzeugung kam, dass das eigentliche Grab noch immer unter dem Sand verborgen sein könnte. Der 1. Weltkrieg brachte die Arbeiten vorübergehend zum Erliegen.

Nach Wiederaufnahme der Grabungen war Carter und Carnarvon zunächst wenig Glück beschieden. Aufgrund der geringen Fundausbeute bei gleichzeitig hohen Grabungskosten drohte der Lord, seine Finanzierung zu beenden. Carter erflehte sich von ihm eine letzte Grabungssaison, die Arbeiten dazu begannen am 1. November 1922. Drei Tage später, am 4. November, stießen die Arbeiter unterhalb der Zugangsrampe zu KV 9 (Ramses V. und VI.) auf eine steinerne Treppenstufe. Die Freilegung bringt weitere Stufen ans Licht, die nach unten führen. Schließlich stößt das Team auf eine vermauerte Türöffnung, an deren oberem Rand Carter unbeschädigte Siegelabdrücke der Nekropole findet. Euphorisch sendet er ein Telegramm nach England:

„Habe endlich wunderbare Entdeckung im Tal gemacht. Prächtiges Grab mit intakten Siegeln. Bis zu Ihrer Ankunft wieder zugeschüttet. Gratulation.“
– Howard Carter

Lord Carnarvon traf am 23. November 1922 in Ägypten ein. Die erneute, vollständige Freilegung der Tür offenbarte das königliche Siegel mit dem Namen Tutanchamuns. Carters Beharrlichkeit hatte sich endlich ausgezahlt. Insgesamt fand Carter drei Versiegelungen und schlussfolgerte korrekt, dass das Grab bereits in pharaonischer Zeit zweimal neu verschlossen wurde, was auf das Eindringen von Grabräubern schließen ließ.

Das Interesse der internationalen Presse an dem sensationellen Fund war gewaltig, der Zugang zum Grab war über Wochen und Monate von Schaulustigen und Reportern gesäumt. Am 29. November 1922 erfolgte die offizielle Öffnung des Grabes, am 16. Februar 1923 die offizielle Öffnung der Grabkammer. Keine zwei Monate später, am 5. April 1923, verstarb Lord Carnarvon an den Folgen eines Moskitostiches. Das Echo in den Medien war überwältigend. Schnell etablierte sich der moderne Mythos von einem „Fluch des Pharao“, der angebliche die Grabungsteilnehmer heimsuchen würde.
Carnarvons Frau Lady Almina Herbert übernahm die Grabungslizenz und sicherte Carter ihre weitere Unterstützung zu.

Die Aufnahme des Grabes dauerte insgesamt zehn Jahre und umfasste neun Grabungssaisons. Der Abschluss der Arbeiten erfolgte 1932. Insgesamt enthielt das Grab 5.398 Objekte, die meisten davon sind heute im Ägyptischen Museum in Kairo zu sehen. Der Sarkophag, der äußere der drei Särge und die Mumie Tutanchamuns befinden sich noch immer in seiner Grabkammer im Tal der Könige. Howard Carter verstarb am 2. März 1939 im Alter von 64 Jahren in London.

Das Tal der Könige

Das Tal der Könige liegt etwa zwei Kilometer nördlich der oberägyptischen Stadt Luxor auf der Westseite des Nil. Es befindet sich gegenüber von Karnak, dem berühmten Heiligtum des Gottes Amun, in Theben-West am Rand der Wüste. Das Tal wird von einer natürlichen Felspyramide überragt, die vermutlich ein wichtiger Grund dafür war, dass die Pharaonen des Neuen Reiches diesen Ort als Begräbnisstätte auswählten, denn die besondere Form des Berges wurde wahrscheinlich als Möglichkeit einer Anknüpfung an die Pyramidenzeit des Alten Reiches verstanden. Bis heute wurden im Tal der Könige 64 Gräber entdeckt, in denen zur Zeit des Neuen Reiches Pharaonen, ihre Angehörigen und auch einige hohe Beamte beigesetzt wurden.

Das Grab des Tutanchamun ist im Hauptwadi des Tals am Talboden lokalisiert. Es handelt sich dabei um eine ungewöhnliche Lage, da die Zugänge der Gräber üblicherweise in die seitlichen Felsmauern hineingetrieben sind. Ebenfalls ungewöhnlich ist die Position unterhalb der Zugangsrampe zu der später entstandenen Grabanlage KV 9 von Ramses V. und Ramses VI. Aufschlussreich ist in dieser Hinsicht eine Analyse des Bodens, die auf eine Überschwemmung des Gebietes hindeutet: Die drei Siegelungen, die Carter fand, lassen vermuten, dass das Grab zweimal beraubt und von den Nekropolenwächtern wieder versiegelt wurde, bevor es, ggf. durch eine sturzbachartige Schlamm- und Gerölllawine, wie sie im Tal der Könige bei bestimmten Wetterlagen vorkommen kann, verschüttet wurde. Als in pharaonischer Zeit die Arbeiten an KV 9 begannen, wurde über dem Zugang zum Grab des Tutanchamun eine Arbeiterunterkunft errichtet – ein wichtiges Indiz dafür, dass die Erinnerung an Tutanchamun und die Lage seines Grabes zu dieser Zeit bereits erloschen war.

 

⇒ 2 Das Erbe der Amarna-Zeit