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Ägyptologie-Seminare > Mythologie und Götterwelt > 4 Medizin

Einführung in die Mythologie und Götterwelt der alten Ägypter

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Sommersemester 2019

 

4 Medizin: Heilung durch Vergleich

Medizin und Mythos waren im alten Ägypten eng miteinander verknüpft. Heilung erfolgte häufig durch Analogiebildung: Eine mythologische Vorlage erklärt und begründet, welche Heilmittel bzw. Zauber bei welcher Erkrankung oder Verletzung einzusetzen sind. Am Beispiel des „Mythos vom verbrannten Horus“ lässt sich dies anschaulich erläutern. Der Mythos spielt zwar in einer absoluten Vergangenheit, doch durch den Zauberspruch erfolgt eine Aktualisierung: Der Mythos wird vergegenwärtigt und die zeitliche Differenz überwunden (Abb. 1).

 

Abb. 1 Die im Mythos geschilderten Ereignisse (links, „damals“) liefern über Analogiebildung die Vorlage für die aktuelle Situation (rechts, „jetzt“). Die Situation (Patient mit Krankheit), die Personen (Arzt, Patient) sowie die auszuführenden Handlungen (Therapie, Medikation) werden an diesen Vorbildern ausgerichtet. Sogenannte „damals-jetzt-Texte“, die eine vergangene mit einer aktuellen Situation vergleichen, sind eine typische Erzählform altägyptischer Texte. Grafik: KL

 

Der „Mythos vom verbrannten Horus“ berichtet, wie Horus als noch kleines, weitgehend hilfloses Kind eine Verbrennung erleidet. Als seine Mutter Isis gemeinsam mit ihrer Schwester Nephthys hinzukommt, weiß sie sofort, welcher Medikation ihr Sohn zur Gesundung bedarf und kann ihn heilen. Im Arzt-Patient-Verhältnis wird diese Situation nachgestellt (Tab. 1).

 

Tab. 1 Beschwörung einer Verbrennung (nach Pap.Med. London XIV, 8-14)

 

Grundlage dieser u. a. Behandlungsmethoden ist die Überzeugung, dass in Situationen, die einander unter dem Gesichtspunkt der Analogie entsprechen, stets das Gleiche geschehen muss. In anderen Worten: Wenn diese Medikation Horus geholfen hat, dann muss sie auch dem aktuellen Patienten helfen. In gewisser Weise liegt also ein argumentativer Zwang vor: Die unsichere Gegenwart wird aus der sicheren, weil bereits abgeschlossenen Vergangenheit vereindeutigt.

Der Ruhm der altägyptischen Heiler war auch außerhalb Ägyptens bekannt. Adlige aus Vorderasien und dem Mittelmeerraum reisten für Konsultationen nach Ägypten. Der Papyrus Edwin Smith, vermutlich um 1.600 v. Chr. entstanden, beschreibt Symptome, Untersuchungsmethoden, Diagnosen und Behandlungsoptionen für 48 verschiedenen Krankheitsbilder. Unter anderem wird die korrekte Ausführung von Wundnähten beschrieben, Rezepte zur Vorbeugung und Linderung von Infekten, Methoden zum Stoppen von Blutungen oder die Immobilisierung von Kopf und Wirbelsäule bei Verletzungen in diesem Bereich. Viele der klar formulierten, gut nachvollziehbaren Behandlungsmethoden und Nachsorgeempfehlungen entsprechen modernen ärztlichen Richtlinien. Interessanterweise ist der Papyrus Edwin Smith der einzige bekannte medizinische Papyrus der alten Ägypter, der auf die Unterstützung der Behandlung durch Zauber verzichtet. Ganz anders verhält es sich beim Papyrus Ebers, der einzigen komplett überlieferten Buchrolle zur Heilkunde Altägyptens. Die Abschrift stammt vermutlich vom Ende des 16. Jh. v. Chr. Beschrieben werden Krankheiten, Symptome, Diagnosen und Therapien, die sich unter modernen Fachrichtungen subsumieren lassen: Abgedeckt werden u. a. Gynäkologie, Innere Medizin, Zahnmedizin, Parasitologie, Augenheilkunde und Dermatologie. Des Weiteren werden operative Behandlungen von Abszessen und Tumoren, Reposition von Knochenbrüchen und Behandlung von Verbrennungen beschrieben. Auch eine Abhandlung über das Herz, die Blutgefäße und Depressionen gehören zu den Themen der Buchrolle, deren ursprüngliche Länge 18,63 m betrug (zu Konservierungszwecken wurde die Rolle in mehrere Einzelteile aufgeteilt). Sie umfasst insgesamt 879 Rezepte, Lehr- und Zaubertexte, die den Heilungserfolg befördern sollten.

 

⇒ 5 Mensch und Kosmos, Leben und Tod, Vergänglichkeit und ewige Dauer