Startseite

 

Wissenschaftsjournalismus

Bücher

Übersetzungen

Pressearbeit und Kongresse

Seminare/Lehre

Wissenschaftskommunikation

Ägyptologie

Seminarabstracts

Amarna

Historischer Hintergrund

Religion

Architektur

Kunst

Widerstand

Nachfolge

Tutanchamun

Hieroglyphen

Unterweltsbücher

Moby-Dick

Ramses II.

Mythologie

Häuser für die Ewigkeit

Literatur der Pharaonen

Sakralarchitektur

Die Entdeckung des Tutanchamun

Die Entzifferung der Hieroglyphen

Literaturwissenschaften

Über mich

 

 

Kontakt

Impressum/Datenschutz

Ägyptologie-Seminare > Amarna > 2 Religion

Amarna: Revolution im Alten Ägypten – Pharao Echnaton und die Alleinherrschaft der Sonne

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2019/20 und 2016/17

 

2 Religion: Der Aton-Kult

Der Aton-Kult ist eine Stifterreligion, die von Pharao Echnaton ins Leben gerufen und als neue Staatstheologie eingesetzt wurde. Gemeinsam mit seiner Gemahlin Nofretete bildete er mit Aton eine Triade, die sich an dem traditionellen Vorbild von Götterkonstellationen des alten Pantheons orientierte, wie z. B. Amun – Muth – Chons in Theben oder Ptah – Sachmet – Nefertem in Memphis. Aus dieser Vergöttlichung des Königspaares leitet sich ab, warum in Achetaton, wo auf die alten Götterdarstellungen natürlich verzichtet werden musste, diese durch Szenen der königlichen Familie ersetzt wurden. Diese zeichnen sich durch eine liebevoll-intime Zuwendung der dargestellten Personen zueinander aus, für die es vor und nach der Amarna-Zeit keine Parallele in der altägyptischen Kunst gibt. Über den Szenen steht stets am oberen Bildrand der Strahlenaton, der mit seinen Händen dem Königspaar das anch-Zeichen an die Nasen hält. Diese Spende des Lebens erteilt Aton exklusiv dem Königspaar, das sie wiederum an seine Untertanen weitergibt. Indem Echnaton und seine Familie einen zärtlichen Umgang miteinander exemplarisch als gottgefälliges Verhalten vorlebten, inszenierte Echnaton Aton wirkungsvoll als Gott der Harmonie und der Liebe.
Echnatons neue Lehre stellt ausdrücklich klar, dass der Pharao Sprachrohr und einziger Mittler Atons war. Eine Ansprache durch Dritte war in dieser Konstellation nicht vorgesehen und nicht möglich. Treue gegenüber dem Königspaar und seine Verehrung ersetzten im Aton-Kult das Gebet zu den Göttern.

Obwohl Frauen im Alten Ägypten schon grundsätzlich eine im Vergleich zu anderen Kulturen auch gesellschaftlich und politisch wichtige Rolle spielten, ist die Positionierung Nofretetes als herausragend anzusehen. Sie stand nahezu gleichberechtigt neben ihrem Gemahl, sowohl in Kulthandlungen als auch in herrschaftlichen Belangen. Dies ist im Bildprogramm v. a. an den ausgeführten Handlungen (z. B. dem Niederschlagen der Feinde), den fast identischen Größenverhältnissen der Figuren und ihrer Bekleidung abzulesen: Oft wird Nofretete mit Attributen versehen, die traditionell dem männlichen Herrscher vorbehalten sind. Mit dem Umzug nach Achetaton nahm Nofretete auch einen neuen Namen an: Neferneferuaton („Schön sind die Schönheiten des Aton“). Dieser wurde wie ein Königsname in eine Kartusche eingeschlossen.

Aton

Zur Einführung seines neuen Gottes bediente Echnaton sich einer bereits wohlvertrauten Figur: der des Sonnengottes Re-Harachte (siehe Darstellungen aus dem Gem-pa-Aton im Karnak-Tempel). Der Pharao entwickelte für Aton einen so genannten „lehrhaften Namen“, in dessen erster Fassung der Gottesname „Re-Harachte“ sowie der Begriff „Sonne“ vorkommen:

Es lebe Re-Harachte der beiden Horizonte, jubelnd im Horizont, in seinem Namen als die Sonne welche ist Aton.

In der späteren Fassung des Namens wurden Elemente mit Bezug auf die alten Götter nun vollständig entfernt (dies betrifft neben Re-Harachte den Luftgott Schu, dessen Name sich in der klanggleichen Aussprache des Wortes „Sonne“, šw, verbirgt). So blieben nur die Bezüge auf Aton selbst (und den mit ihm identifizierten Re):

Es lebe Re, der Herrscher der beiden Horizonte, jubelnd im Horizont, in seinem Namen als Vater des Re, der als Aton gekommen ist.

Anders als die menschen- oder tiergestaltigen Götter des alten Pantheons, die oft auch in Mischformen dargestellt wurden, begegnet Aton ausschließlich in der abstrakten Form des Strahlenaton. Er interagiert mit niemandem und ist daher auch nicht in erzählbare Figurenkonstellationen eingebunden. Aton ist ein distanzierter Gott, über den es keine Geschichten, keine Mythen und durch den es kein Vorleben moralisch-ethischer Werte gibt. Dem Volk ist Aton von Anfang an seltsam entrückt – ein weiterer Schwachpunkt des neuen Kultes.

Aton herrscht als König über die Welt: Sein Name wird – wie der des Pharao – in Kartuschen eingeschlossen, zusätzlich ist der Strahlenaton mit einer Uräus-Schlange geschmückt, dem traditionellen Symbol des altägyptischen Königtums. Der sogenannte Große Sonnengesang, ein programmatischer Hymnus, den vermutlich Echnaton selbst zu Ehren seines Gottes verfasste, stellt klar, dass Aton, anders als die bisherigen Götter, ein Weltherrscher ist:

„Du Herr eines jeden Landes, der aufgeht für sie,
du Sonne des Tages, gewaltig an Hoheit!
Alle fernen Länder, du schaffst ihren Lebensunterhalt.“

Dies ist ein neuer Gedanke in der altägyptischen Religiosität: Zwar werden die verschiedenen Völker (abgesehen vom ägyptischen Volk selbst unterschieden die Alten Ägypter Nubier, Libyer und Asiaten) nach wie vor als unterschiedlich wahrgenommen („du unterscheidest die Völker“), vor Aton sind sie jedoch ebenbürtig und werden gleichermaßen von ihm versorgt.

Jenseitsräume

Vor und nach der Amarna-Zeit ist das Totenreich vom Reich der Lebenden weitgehend separiert: Im Alten Reich war es am Nordhimmel bei den „unvergänglichen Sternen“ lokalisiert, im Mittleren Reich im „schönen Westen“ (Horizont), im Neuen Reich schließlich in der Unterwelt, die der Sonnengott bei seiner Nachtfahrt durchquert. Der Aton-Kult verlegt das Totenreich ins Diesseits, genauer gesagt in den Raum des Großen Aton-Tempels. Hier sollten die Verstorbenen an den Ritualen und Opfern für Aton teilhaben. Echnaton klammert in seiner neuen Lehre die Details dieser neuen Nach-Tod-Existenz allerdings ebenso aus wie die Frage, wo Aton sich in den Stunden zwischen seinem abendlichen Untergang und dem morgendlichen Neuaufgang befindet. In diesem Versäumnis manifestiert sich ebenfalls ein Schwachpunkt der neuen Lehre, da den bisherigen, mehr als 1500 Jahre lang gewachsenen Jenseitsvorstellungen der Boden entzogen und stattdessen ein vergleichsweise aseptisches Gegenmodell eingeführt wird, das potenziell traumatische Folgen bei den Gläubigen ausgelöst haben mag und dem in der Breite vermutlich keine große Akzeptanz beschieden war.

Monotheismus, ja oder nein?

Seit Jahrzehnten wird in der Forschung leidenschaftlich darüber diskutiert, ob der Aton-Kult als Monotheismus bezeichnet werden darf. Die Mehrheit der Ägyptologen bejaht heute diese Frage. Entscheidend ist dabei ein scheinbar kleiner Schritt, der mit dem Umzug Echnatons und seiner Familie nach Achetaton erfolgt: Hieß es in den ersten Regierungsjahren über seinen Gott Aton „Es gibt keinen seinesgleichen“, so wandelt sich diese Aussage nun noch einmal und die neue programmatische Aussage stellt klar: „Es gibt keinen anderen außer ihm“. Damit war – neben vielen anderen Eigenschaften der neuen Lehre und der sich aus diesen ergebenden Handlungskonsequenzen, die dies bekräftigen – der Schritt zum Monotheismus vollzogen.

 

> 3 Architektur