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Ägyptologie-Seminare > Sakralarchitektur > 1 Einführung

Der Tempel als Kosmos
Sakralarchitektur im Alten Ägypten

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Sommersemester 2022

 

1 Einführung Sakralarchitektur – die Anfänge in der Prädynastik

Man kann im Alten Ägypten grundsätzlich zwei Architekturgruppen unterscheiden: Erstens, die profane/weltliche Architektur, zu der Wohnhäuser, Betriebe, Verwaltungsgebäude und sogar die Königspaläste gehören. Sie wurden üblicherweise aus Lehmziegeln errichtet und besaßen daher nur eine vergleichsweise geringe Lebensdauer. Zweitens, die „ewige Architektur“, die Tempel und Grabanlagen umfasst. Diese Bauwerke wurden aus Stein erbaut bzw. aus dem Stein herausgeschlagen, dem härtesten und beständigsten Baumaterial, das die Alten Ägypter kannten. Mit seiner Hilfe sollten die Tempel bis in alle Ewigkeit Bestand haben, und sie sollten in diesem Rahmen den Göttern bzw. den Verstorbenen für immer als Heimstatt dienen.

Der Begriff Sakralarchitektur bezeichnet Gebäude, die funktionell dem religiös-kultischen Bereich angehören. Das Wort „sakral“ stammt aus dem Lateinischen: sacer bedeutet „heilig, dem Gott/den Göttern geweiht“. Altägyptische Tempel beeindrucken bis heute durch ihre Größe, ihre noch zu erahnende frühere Pracht, aber vor allem auch durch die Art und Weise, wie sie heilige Räume greifbar und erfahrbar machen. Sie imitieren das mythische Weltgebäude nicht nur, sie sind steingewordene Abbilder des mythologischen Weltverständnisses und damit auch Abbilder Ägyptens selbst, das als unmittelbares Ergebnis des mythischen Schöpfungsprozesses galt.

Die Tempel dienten im Alten Ägypten jedoch nicht nur als Häuser der Götter und als Ort ihrer unmittelbaren Verehrung, sondern sie waren auch Verwaltungs- und Handelszentren, Schulen und Orte des Forschens und Lernens (Astronomie, Medizin, Mathematik...). Sie waren darüber hinaus wichtige Mittel der politischen Propaganda, denn auf ihren Mauern ließen sich die Pharaonen – in der Regel in mehrfacher Überlebensgröße – als Günstlinge der Götter und siegreiche Verteidiger Ägyptens darstellen

Der König galt als oberster Priester aller Kulte. Da er nicht jederzeit in allen Tempeln des Landes persönlich anwesend sein konnte, fungierten die Tempelpriester als Stellvertreter. Sie führten an seiner Stelle und in seinem Auftrag die täglichen Rituale in den Kultstätten durch. Ziel war es, die mythologisch begründeten Ereigniszyklen, wie z. B. den Tagesverlauf, den Jahresablauf oder auch umfassender die Regierungszeit eines Königs, als rekurrente Abläufe zu stützen. So glaubten sich die Alten Ägypter in diesen heiligen, göttlichen Ablauf eingebunden und erkannten in ihren Kulthandlungen einen Beitrag zum Erhalt der Schöpfung und des Triumphs der Ordnung über das Chaos. Im Gegenzug für ihre getreulichen Verrichtungen erhielten die Priesterschaften diverse Zuwendungen durch den König, darunter Landschenkungen, Gold, Edelsteine oder Korn. Im Neuen Reich wuchs das Vermögen der Priester so weit an, dass ihre vor allem wirtschaftliche Macht sogar mit der des Pharao konkurrierte. Dies war im 14 Jh. v. Chr. vermutlich ein Auslöser der weitreichenden, zunächst primär religiösen Reformen unter Pharao Echnaton, mit denen er möglicherweise versuchte, die zunehmende Einflussnahme der Priester auf politisch-wirtschaftliche Entscheidungen zu unterbinden.

Allen altägyptischen Tempeln ist gemein, dass die Menschen sie als Nahtstellen zwischen der Menschen- und der Götterwelt betrachteten. An den Bau mancher Anlagen schlossen sich in den nachfolgenden Jahrhunderten und Jahrtausenden zahllose Renovierungsarbeiten und Erweiterungen an: Das beste Beispiel dafür ist der Tempelkomplex von Karnak, der als der größte Sakralbau aller Zeiten gilt. Tempel und Grabanlagen manifestieren sich im Alten Ägypten als Konkretisierungen mythologischer Glaubensinhalte, die sie zu transzendenten Orten verklären. Die Beziehung zwischen beiden Welten, der der Götter und der der Menschen, stellten sich die Alten Ägypter wechselseitig vor.

 

Abb. 1 Götter- und Menschenwelt standen nach Vorstellung der Alten Ägypter in einem kontinuierlichen, wechselseitigen Austausch. Grafik: KL

 

Die Gunst der Götter und die Ausführung kultischer Rituale standen damit in einem sich gegenseitig bedingenden Austausch bzw. fungierten füreinander als identitätsstiftende Grundlagen.

 

 

Sakralarchitektur: Prädynastik

Die Steinstelen von Nabta

Die Steinstelen von Nabta finden sich auf dem Nabta Playa ca. 100 km westlich von Abu Simbel im südlichen Ägypten. Sie sind eines der ältesten archäo-astronomischen Monumente der Welt und wurden vermutlich um 4000 v. Chr. am Ufer eines Sees errichtet, der heute versandet ist. Man geht davon aus, dass sie für die Beobachtung der Bewegung der Himmelskörper genutzt wurden und gleichzeitig als zeitliche Markierungspunkte für besondere Ereignisse wie z. B. die Sommersonnenwende dienten, welche mit dem Beginn der Sommerregenzeit korrespondierte. Astronomische Kenntnisse vermittelten verlässliches und vor allem reproduzierbares Wissen über die Abfolge der Jahreszeiten und ihrer jeweiligen Ereignisse. Dieselbe Art von forschender Neugier findet sich später auch in den altägyptischen Tempeln, vielleicht als Fortführung dieser frühen Anfänge. Auch andere Befundungen in diesem Areal lassen spekulative Verbindungen zu späteren Entwicklungen im Pharaonenreich zu. So sind die Steinstelen von Nabta in Kreisen und Linien aufgestellt, wobei der äußere Kreis einen Durchmesser von vier Metern besitzt. Ausgerichtet sind sie unter anderem nach dem Stern Sirius und den Gürtelsternen des Orion, welche von den Alten Ägyptern später mit Isis und Osiris identifiziert wurden. Nabta Playa beherbergt darüber hinaus über- und unterirdische Anlagen, die z. B. einem Rinderkult dienten, der möglicherweise im späteren Hathor- und Apiskult des Alten Ägypten seine reformierte Fortsetzung fand.

Als ihre Lebensumwelt zunehmend desertifizierte, zogen die Nabta People ins Nildelta. Ihre astronomischen und kulturellen Errungenschaften nahmen sie mit und zusammen mit dem hohen Organisationsgrad ihrer Gemeinschaft flossen diese möglicherweise in die dort entstehende pharaonische Kultur ein.

 

Der Schrein von Hierakonpolis

In der Prädynastik und ggf. bis in die Frühdynastik hinein war Hierakonpolis das religiöse und politische Zentrum Oberägyptens und musste sich diese bedeutende Rolle erst seit dem Ende der Prädynastik zunehmend mit der Siedlung Naqada teilen. Der ursprüngliche, altägyptische Name des Ortes bedeutete soviel wie „Burg, Umfriedung, Rastplatz“, die gräzisierte Variante „Hierakonpolis“ lässt sich als „Falkenstadt“ übersetzen und verweist vermutlich auf einen alten, lokalen Kult des falkengestaltigen Gottes Horus.

m Rahmen der ersten systematischen archäologischen Grabungen 1897 bis 1900 wurden in Hierakonpolis die Narmer-Palette und der Keulenkopf von König Skorpion II. entdeckt – bis heute zwei der bedeutendsten Funde zur Frage der Reichseinigung um 3100 v. Chr. Die z. T. stark beschädigten Darstellungen auf dem Keulenkopf zeigen nach Meinung einiger Forscher eine Szene des Gründungsfestes der Tempelanlage von Hierakonpolis, die damit die möglicherweise erste religiöse Kultstätte des vereinigten Ober- und Unterägypten gewesen wäre.

 

⇒ 2 Tempelanlagen der Frühdynastik und des Alten Reiches