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Ägyptologie-Seminare > Häuser für die Ewigkeit > 3 Mittleres Reich

Häuser für die Ewigkeit
Mythologie, Grabdekoration und -architektur des Alten Ägypten

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Sommersemester 2021

 

3 Die Grabanlagen des Mittleren Reiches: In den Armen der Westgöttin

Die Jenseitstexte des Mittleren Reiches sind vor allem in den Privatgräbern der Oberschicht dokumentiert. Zusammen mit dem pharaonischen Machtverlust am Ende des Alten Reiches hatte sich das Totenreich auch für nicht-royale Personen geöffnet. Mit der Ausbreitung des Osiris-Kultes ab der 5. Dynastie kommt es erstens zu einer Aufwertung der unterirdisch-westlichen Regionen, zweitens aber auch zu einer Moralisierung des Jenseits, die sich an dem aus dem Osiris-Mythos heraus entstandenen Verlangen nach Gerechtigkeit orientiert: Die Ma‘at-Gerechtigkeit rückte damit in das Zentrum des Jenseitsglaubens, sie wurde Voraussetzung für die Verwandlung des Verstorbenen in einen Ach, einen gerechtfertigten Ahnengeist. Der jenseitige Raum zerfiel konsequenterweise in paradiesische Bereiche und Richtstätten, an denen furchteinflößende, dämonische Figuren drastische Bestrafungen der Missetäter umsetzen.

Die Bauform der Pyramide blieb auch im Mittleren Reich weiter rein königlich. Im privaten Bereich bestimmten aufwändig dekorierte Holzsärge die funeräre Ausstattung. Da nur etwa 1% der Bevölkerung alphabetisiert war, blieb die grundsätzliche Aufweitung der Nutzung der Jenseitstexte auf die Bildungselite des Landes beschränkt, während rund 99% der Bevölkerung weiterhin ohne Unterstützung der Schriften ihren Weg ins Jenseits antreten mussten.

Die Sargtexte bekräftigen die Einbindung der nicht-royalen Verstorbenen in das göttliche Totenreich. „Mögest du [Osiris] die schöne Westgöttin wissen lassen, dass er [Verstorbene] dein Sohn ist, den sie dir geboren hat, den sie in sich aufgenommen und geliebt hat, dein Sohn, […] den du selbst geschaffen hast“, heißt es in CT 32. Die hier angesprochene Westgöttin, wohl eine Verkörperung des nun im Horizont gelegenen Totenreiches, heißt den Verstorbenen im Jenseits willkommen und kümmert sich um seine Versorgung. Die zunächst mit dieser Aufgabe betraute Baumgöttin verschmolz in der Folge mit Isis, Nut und Hathor zur Westgöttin, die über das Wohl des Verstorbenen wacht.

In den Sargtexten finden sich zahlreiche inhaltliche und sprachliche Überschneidungen mit den älteren Pyramidentexten. Sie sollten vermutlich lesend vom Verstorbenen rezipiert werden, während die Pyramidentexte wohl eher als verschriftlichte dialogisch gesprochene Sprache zu verstehen sind und damit Ritualcharakter besitzen. Manche einzelnen Texte der Sargtexte werden zu Spruchgruppen, sogenannten „Büchern“, zusammengefasst. Das wohl bekannteste ist das in zwei Fassungen vorliegende „Zweiwegebuch“, das die Sprüche 1029 bis 1130 bzw. 1185 umfasst. Der Text ist um eine Art Landkarte des Jenseits herum arrangiert, auf der vor allem ein blau und ein schwarz gezeichneter Weg auffallen, die vermutlich Routen über Wasser bzw. an Land markieren. Mit seiner Bild-Text-Kombination gilt das Zweiwegebuch als Vorläufer des Amduats und des Pfortenbuches aus dem Neuen Reich. Es präsentiert das Jenseits als Ort der Gefahren und der Verwirrung. Dämonen lauern am Wegesrand, Dunkelheit und ein Feuerring behindern an bestimmten Stellen das Vorankommen. Manche Wege überkreuzen sich oder enden im Nichts. Wie immer in den altägyptischen Jenseitstexten führen jedoch Mut und Wissen schließlich ans Ziel und werden am Ende durch das Zusammentreffen mit Osiris und dem Eingang in das paradiesische Jenseits belohnt.

 

Architektur

Das Mittlere Reich greift architektonisch auf zwei bereits etablierte Bauformen zurück und adaptiert diese für die aktuelle mythologische Sichtweise.

 

 

Abb. 1 Im Mittleren Reich wird die bereits im Alten Reich entwickelte Bauform der Pyramide durch einen komplexeren Innenausbau neu gestaltet. Gleichzeitig wird die sakrale Bauform des Tempels in die funeräre Architektur übernommen. Beide Baustile liefern Vorverweise auf Bauformen des Neuen Reiches bzw. der Spätzeit. AR: Altes Reich, NR: Neues Reich; Grafik: KL

 

In der 12. Dynastie ließ Pharao Sesostris II. (1882-1872 v. Chr.) seine Pyramide am Rand des Fayum-Beckens errichten. Das innere Gangsystem besitzt erstmals eine mehrfach geknickte Hauptachse sowie einen umlaufenden Gang, der sich um die Grabkammer herumwindet. Bei letzterem handelt es sich um eine redundante architektonische Form, deren Funktion bis heute nicht abschließend verstanden ist. Möglicherweise soll sie die gewundenen Wege des Jenseits veranschaulichen, ähnlich wie es später in den Felsgräbern des Neuen Reiches anzutreffen ist. Die Grabkammer befindet sich anders als zuvor unter Bodenniveau (in der Cheops-Pyramide ist z. B. nur das Osirisgrab unterirdisch angelegt, die Königskammer mit dem Sarkophag befindet sich in der Mitte des Baukörpers). Aus dieser Neuorganisation wird eine allmähliche Verlagerung hin zum chthonischen Reich des Osiris und zugleich das zunehmende Interesse an der konkreten Topographie des Jenseits erkennbar.

Mentuhotep II. (2046-1995 v. Chr.) kombinierte in seiner Grabanlage in Deir el-Bahari die aus dem Alten Reich stammende Tradition von Pyramide und Urhügel mit dem sakralen Tempelkomplex. Letzterer, bei dem es sich um den räumlich vorgelagerten Abschnitt der Anlage handelt, war über dem Mittelpunkt vermutlich von einer kleinen Pyramide gekrönt, alternativ wurde dieser Bereich als Reminiszenz an die Urhügel-Metapher als Sandhügel gestaltet. Das darunter liegende Scheingrab des Osiris war möglicherweise in der ersten Bauphase als Königsgrab geplant, dieses wurde dann jedoch mehr als 200 Meter nach hinten, in das Felsmassiv, verlegt, wodurch es bereits die Distanz zwischen Grab und Totentempel, die im Neuen Reich weiter ausgebaut wurde, vorwegnimmt.

 

Weiterführende Literatur

Laatsch, Katrin
Häuser für die Ewigkeit – Gräber und Mythologie im alten Ägypten
Darmstadt: wbg – Philipp von Zabern, 2020
ISBN: 978-3-805-35261-1

 

⇒ 4 Die Grabanlagen des Neuen Reiches: Die Tiefe der Unterwelt