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Ägyptologie-Seminare > Tutanchamun > 2 Biographisches

Tutanchamun – Die Rückkehr zum alten Glauben / Nach Amarna: Tutanchamun und die Zeit der Restauration

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Sommersemester 2017 und im Wintersemester 2020/21

 

2 Biographisches: Familienstammbaum & Regierungsjahre

Stammbaum

Obwohl Tutanchamun zu den Pharaonen gehört, über die in den vergangenen Jahrzehnten vermutlich am meisten geforscht und publiziert wurde, weisen sowohl seine Regierungszeit als v. a. auch seine Familiengeschichte noch immer offene Fragen auf. Bereits die Elternschaft Tutanchamuns konnte lange Zeit nicht eindeutig geklärt werden, siehe Abb. 1. Erst eine DNA-Untersuchung brachte 2010 Licht ins Dunkel.

 

Abb. 1 Der Familienstammbaum Tutanchamuns vor den DNA-Untersuchungen, die 2010 von Hawass et al. veröffentlicht wurden. Blau umrandet die Personen aus dem familiären Umfeld, die üblicherweise als potenzielle Väter des Kindkönigs herangezogen wurden. Die meisten Ägyptologen favorisierten Pharao Echnaton, einen Beweis dafür gab es jedoch nicht. Auch Amenophis III., Echnatons Vater, wurde von manchen in Betracht gezogen, ebenso der geheimnisvolle Semenchkare, der in der Nachfolge Echnatons für wenige Jahre über das Land am Nil herrschte, dessen Herkunft jedoch bis heute im Dunkeln liegt. Die mütterliche Erblinie war gänzlich unbekannt, da Echnaton und Nofretete der Quellenlage zufolge zwar sechs Töchter hatten, jedoch keinen Sohn. Grafik: KL

 

Ende der 2000er Jahre wurde in Ägypten ein Forschungsprojekt mit dem Titel King Tutankhamun Family Project aufgelegt. Es hatte zum Ziel, durch die Untersuchung rund eines Dutzends königlicher Mumien aus der Zeit des Neuen Reiches, von denen vermutet wurde, dass sie in vergleichsweise enger verwandtschaftlicher Beziehung zu Tutanchamun stehen könnten, den Familienstammbaum des Kindkönigs aufzuklären. Mit modernen wissenschaftlichen Methoden wie DNA- und mtDNA-Untersuchungen, computertomographischen Scans sowie unter Einbeziehung anthropologischer Interpretationen sollten die Verwandtschaftsverhältnisse der Mumien bestimmt werden. Als Referenzgruppe diente eine Gruppe von Mumien aus der Zeit des Neuen Reiches, für die eine Verwandtschaft mit Tutanchamun ausgeschlossen werden konnte.

Zu der ersten Gruppe gehörten die folgenden Mumien:

  • Juja und Tuja, die Eltern der Königin Teje, der Gemahlin Pharao Amenophis‘ III. Ihre Mumien wurden in ihrem Grab im Tal der Könige gefunden, sodass ihre Identität als gesichert gilt.
  • Die sogenannte „Elder Lady“ (dt. auch „Ältere Dame“) aus dem Grab Nr. 35 im Tal der Könige (KV 35, wobei KV für Kings‘ Valley, Tal der Könige, steht). Hier bestand die Vermutung, dass es sich um Königin Teje handeln könne. Eine Haarprobe dieser Mumie war in den 1970er Jahren mit einer Haarlocke verglichen worden, die im Grab des Tutanchamun in einem Miniatursarg gefunden worden war, der mit dem Namen Tejes beschriftet war. Die Untersuchung hatte ergeben, dass die beiden Proben tatsächlich von derselben Person stammten.
  • Die Mumie von Amenophis III. wurde ebenfalls in Grab Nr. 35 im Tal der Könige (KV 35) gefunden, ihre Identität gilt als weitgehend gesichert.
  • Die skelettierte Mumie aus Grab Nr. 55 im Tal der Könige (KV 55). In ihr hatten Forscher in der Vergangenheit aufgrund der breiten Hüften zunächst eine Frau sehen wollen, später stellte sich heraus, dass das Skelett männlich war. Seitdem wurde die Mumie wahlweise als die Echnatons oder die des geheimnisvollen Semenchkare angesehen.
  • Die sogenannte „Younger Lady“ (dt. auch „Jüngere Dame“) aus dem Grab Nr. 35 im Tal der Könige (KV 35). Anfang der 2000er Jahre hatte die Ägyptologin Joann Fletcher sie als Mumie der Nofretete identifizieren wollen, aus der Fachwelt hatte es jedoch Zweifel an dieser Zuweisung gegeben.
  • Die Mumie des Tutanchamun, zweifelsfrei identifiziert, da sie im zur Pharaonenzeit verschlossenen Grab des Kindkönigs in seinen Särgen gefunden worden war.
  • Zwei weibliche Mumien aus dem Grab Nr. 21 im Tal der Könige, bezeichnet als KV 21A und KV 21B. Beide wurden als Kandidatinnen für die Mumie der Anchesenamun, der Gemahlin Tutanchamuns, in Betracht gezogen.
  • Die Mumien der beiden weiblichen Föten, die im Grab des Tutanchamun gefunden worden waren.

DNA-Analysen machen sich zunutze, dass der Großteil der DNA (vom Englischen Deoxyribonucleic acid, die Erbinformationen) zwar bei den meisten Menschen identisch ist, sich jedoch an einigen Stellen von Individuum zu Individuum unterscheidet. Diese Abschnitte werden als genetische „Marker“ bezeichnet. Sie werden von den Eltern an ihre Kinder vererbt und können zur Bestimmung von Identitäten und Verwandtschaftsverhältnissen herangezogen werden. Folgende Ergebnisse erbrachten die Untersuchungen der DNA und der mtDNA (mitochondriale DNA, diese wird nur von der Mutter an ihre Kinder vererbt) der Mumien:

  • Die „Elder Lady“ ist die Tochter Jujas und Tujas, also aller Wahrscheinlichkeit nach Königin Teje.
  • Die Mumie aus KV 55 ist der Sohn von Amenophis III. und Teje, also aller Wahrscheinlichkeit nach Echnaton.
  • Tutanchamun ist der Sohn der Mumie aus KV 55 (Echnaton) und der „Younger Lady“ aus KV 35.
  • Die „Younger Lady“ ist eine Tochter von Amenophis III. und Teje, also gleichzeitig die Schwester der als Echnaton identifizierten Mumie aus KV 55. Daraus ergibt sich, dass die Eltern Tutanchamuns leibliche Geschwister waren. Das schließt Nofretete mit größter Wahrscheinlichkeit als Mutter aus, denn von ihr ist nicht bekannt, dass sie mit ihrem Gemahl blutsverwandt war.
  • Mit Blick auf die beiden Föten kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass die Vaterschaft Tutanchamuns sehr wahrscheinlich ist, die Mutterschaft einer der beiden weiblichen Mumien KV 21A und KV 21B ist möglich.
  • Tutanchamun und die beiden weiblichen Mumien KV 21A und KV 21B können der Analyse zufolge Halbgeschwister oder Cousin und Cousinen sein, nicht aber leibliche Geschwister. Wenn KV 21A oder KV 21B tatsächlich Anchesenamun und Anchesenamun eine Tochter Echnatons und Nofretetes war, dann ergibt sich auch auf diesem Wege noch einmal, dass die „Younger Lady“ nicht Nofretete sein kann.

Kritik an der vorgelegten Analyse ergibt sich v. a. dergestalt, dass die Anzahl der Marker zu gering für eine hundertprozentig sichere Identifizierung ist (betrachtet werden konnten acht Marker, heutige Gerichtsmediziner setzen mindestens zehn Marker für eine eindeutige Identifizierung an) und dass die Mumie Thutmosis‘ IV. nicht zur zusätzlichen Bestätigung der Identität von Amenophis III. herangezogen wurde.

Aus den veröffentlichten Daten lässt sich folgender neuer Stammbaum ableiten (Abb. 2):

 

Abb. 2 Die Ergebnisse der DNA-Analysen von Hawass et al. (2010) erlauben eine Zuweisung der Eltern und entsprechend der weiter zurückliegenden Generationen, insbesondere auf der väterlichen Seite Tutanchamuns. Da die Identität der Mutter ungeklärt ist, kann die weibliche Erblinie nicht über sie hinaus zurückverfolgt werden. Größere Klarheit, wenn auch keine abschließende Sicherheit, gibt es mit Blick auf die beiden Föten (die Vaterschaft Tutanchamuns ist sehr wahrscheinlich) sowie die Frage, ob eine der weibliche Mumien aus KV 21 Anchesenamun sein könnte (die Zuweisung ist möglich, wirft aber neue Fragen bezüglich der Elterngeneration auf). Die Abbildung zeigt ausschließlich die Namen bzw. Bezeichnungen der Mumien, die von der Untersuchung durch Hawass et al. erfasst waren. Grafik: KL
KV = Kings' Valley, EL = Elder Lady, YL = Younger Lady

 

Regierungsjahre

1332 v. Chr. bestieg Tutanchamun bzw. Tutanchaton, wie er damals noch hieß, im Alter von neun oder zehn Jahren den Thron Ägyptens. Eine, vielleicht zwei Personen hatten das Pharaonenamt nach Echnatons Tod vor ihm innegehabt: Die Namen Neferneferuaton und Semenchkare sind in Inschriften und z. T. in Bildwerken erhalten, die Identitäten beider sind bislang jedoch ungeklärt, siehe Amarna, Abschnitt 6). Weitgehend unstrittig ist, dass es bereits unter ihrer Herrschaft eine vorsichtige Wiederannäherung an die alten Kulte gegeben hatte, die Dominanz des Aton-Kultes aber beizubehalten versucht worden war. Interessant ist mit Hinblick auf diese Beobachtung die Titulatur, die Tutanchaton bei seiner Inthronisation annahm:

Horus-Name: Starker Stier mit vollkommenen Geburten

nebti-Name: Mit vollkommenen Gesetzen, der die Beiden Länder zur Ruhe bringt

Goldhorusname: Der die Kronen erhebt und die Götter zufrieden macht

nesut-biti-Name (Thronname): Re ist der Herr der Erscheinungen

sa-re-Name (Geburtsname): Tutanchaton (Lebendes Bild des Aton)

Obwohl sein unmittelbar auf den Aton-Kult verweisender Geburtsname noch unangetastet blieb, weisen sowohl der nebti- als auch der Goldhorusname bereits auf die kommenden Umwälzungen hin: Während ersterer die Notwendigkeit einer Befriedung der Beiden Länder (gemeint sind Ober- und Unterägypten) ausdrückt (und damit indirekt sagt, dass bei Thronbesteigung ein Zustand der Unruhe herrschte), nutzt der zweite das Wort „Götter“ wieder im Plural – zu Zeiten des monotheistischen Aton-Kultes unter Echnaton wäre dies undenkbar gewesen.

Vermutlich im zweiten oder dritten Regierungsjahr ändert der Pharao seinen Geburtsnamen in Tutanchamun (Lebendes Abbild des Amun), auch seine Gemahlin Anchesenpaaton nennt sich von nun an Anchesenamun. Achet-Aton, die Hauptstadt Echnatons, wird aufgegeben und Memphis neuer Regierungssitz sowie politisches und verwalterisches Zentrum des Landes. Theben, der Hauptkultort des Gottes Amun, erhält seine Stellung als religiöses Zentrum zurück. Von Memphis aus erlässt der junge Pharao ein Dekret, dessen Inhalt in Form der sogenannten Restaurationsstele erhalten ist: Diese berichtet von dem desolaten Zustand, in dem das Pharaonenreich sich befunden habe, als Tutanchamun den Thron bestieg, und dass die Götter sich von Ägypten abgewandt hätten. Der Text fährt fort zu versichern, dass der junge Pharao die alten Götter wieder einsetzen und ihre Kulte erneuern werde und dass das ganze Land unter Tutanchamun neu erblühen werde. Die Bilder, die verwendet werden, um den als verheerend empfundenen Ist-Zustand zu beschreiben, sind in ihrer Deutlichkeit und Düsternis ohne Parallele in anderen überlieferten altägyptischen Quellen, die anlässlich eines Herrscherwechsels verfasst wurden.

Tutanchamun mag aus sich selbst heraus kein bedeutender Herrscher gewesen sein, doch er herrschte über Ägypten in einer Zeit, in der innerhalb weniger Jahrzehnte die Weichen der weiteren Entwicklung des Pharaonenreiches auf dramatische Weise gleich zweimal neu gestellt wurden. Dies hat den Forscherdrang, aber auch die Phantasie der Menschen seit Entdeckung seines Grabes im Jahr 1922 beflügelt wie kaum ein anderer Abschnitt der mehr als 3000jährigen Geschichte des Alten Ägypten. Man darf davon ausgehen, dass die oben beschriebenen Entscheidungen nicht – oder mindestens nicht allein – die des jungen, noch kindlichen Pharao waren. Unmittelbar hinter ihm standen der altgediente Wesir Eje und der mächtige Heerführer Haremhab, die wohl als die eigentlichen Entscheidungsträger anzusehen sind. Beide sollten in der Nachfolge Tutanchamuns selbst den Thron der Pharaonen besteigen.


Herrschaftsfolge 18. Dynastie
Amose1550-1525 v. Chr.
Amenophis I.1525-1504 v. Chr.
Thutmosis I.1504-1492 v. Chr.
Thutmosis II.1492-1479 v. Chr.
Hatschepsut1479-1458/57 v. Chr.
Thutmosis III.1479-1425 v. Chr.
Amenophis II.1428-1397 v. Chr.
Thutmosis IV.1397-1388 v. Chr.
Amenophis III.1388-1353 v. Chr.
Amenophis IV. / Echnaton1353-1336 v. Chr.
Semenchkare1336-1332 v. Chr.
Tutanchamun1332-1323 v. Chr.
Eje1323-1319 v. Chr.
Haremhab1319-1292 v. Chr.

 

EXKURS: Eje und Haremhab: Die Königsmacher und heimlichen Regenten im Schatten Tutanchamuns

Eje/Aja (Pharao Eje II.), 1323-1319 v. Chr.

Man darf sich Eje vermutlich als geschickten Taktiker vorstellen. Sein Alter lässt vermuten, dass er seine Laufbahn bereits unter Amenophis III. begann bevor er sie unter dessen Sohn Echnaton erfolgreich fortsetzte. Das Ende der Amarna-Zeit überstand Eje offenbar unbeschadet, auch unter den möglicherweise beiden Nachfolgern Echnatons, Neferneferuaton und Semenchkare, konnte er seine hohe Stellung halten. Vermutlich war er zusammen mit Haremhab der Königsmacher, der im Anschluss den jungen Tutanchaton auf den Thron hob. Als dieser mit nur 19 Jahren verstirbt, besteigt Eje selbst den Thron, wobei er sich u. U. eine vorübergehende Abwesenheit Haremhabs aus Memphis zunutze machte. Diverse Begleitumstände der Grablegung des Kindkönigs wurden als Hinweis auf eine eilige Bestattung gedeutet, und eine Szene in der Grabkammer zeigt Eje in der Rolle des Sem-Priesters mit dem Pantherfell über der Schulter. Dies war die typische Funktion des designierten Nachfolgers des verstorbenen Pharao. Auffällig ist jedoch, dass Eje sich bereits mit der blauen Krone darstellen lässt, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er zum Zeitpunkt des Begräbnisses die Königswürde bereits innehatte. Um seine Position weiter zu festigen, heiratete Eje vermutlich Anchesenamun, die Witwe Tutanchamuns. In diesem Zusammenhang ist die sogenannte Dahamunzu-Affäre von Bedeutung, die im folgenden Abschnitt kurz besprochen werden soll.

Die Dahamunzu-Affäre

Der Begriff Dahamunzu entstammt der hethitischen Sprache und stellt den Versuch dar, den altägyptischen Titel ta-hemet-nesu (Gemahlin des Königs) wiederzugeben. Die Dahamunzu-Affäre beginnt mit dem Brief einer ägyptischen Königin an den hethitischen Großkönig Šuppiluliuma I., in dem sie diesem berichtet, dass ihr Gemahl verstorben sei und sie keine eigenen Söhne habe. Sie ersucht Šuppiluliuma, ihr einen seiner Söhne als Ehemann zu schicken und verspricht, dass dieser als Pharao über Ägypten herrschen werde. Am Ende entsendet der Großkönig tatsächlich seinen Sohn Zannanza, doch dieser stirbt im ägyptischen Grenzgebiet unter ungeklärten Umständen. Es ist unbekannt, ob er Opfer einer Krankheit, eines Unfalls oder eines Attentats wurde. In der Folge erklärt das Hethiterreich Ägypten den Krieg, mit weitreichenden Folgen für beide Seiten. Die Identität der Beteiligten der Dahamunzu-Affäre auf ägyptischer Seite ist bis heute ungeklärt: Weder steht fest, wer der verstorbene Pharao gewesen ist, der im Brief erwähnt wird (in Frage kommen primär Echnaton und Tutanchamun), noch, wer die Königin war, die sich mit ihrer außerordentlichen Bitte an den hethitischen Großkönig wandte. Anchesenamun scheint eine nicht unwahrscheinliche Kandidatin zu sein, die auf diese Weise ggf. die Ehe mit dem deutlich älteren Eje vermeiden wollte.

Haremhab, 1319-1292 v. Chr.

Haremhab begann seine Militärkarriere möglicherweise schon unter Amenophis III. Unter Echnaton begegnet ein Militär namens Pa-Aton-em-hab (Aton ist im Fest), der ggf. mit Haremhab (Horus ist im Fest) identisch sein könnte und hier lediglich mit einer den politisch-religiösen Bedingungen angepassten Namensform auftritt. Unter Tutanchamun organisiert er gemeinsam mit Eje den Umzug des Hofstaates nach Memphis. Seine zweite Frau war u. U. eine Schwester der Nofretete, so dass Haremhab auf diese Weise auch eine familiäre Anbindung an die Königsfamilie gehabt hätte. Haremhab trug diverse Titel, darunter „Stellvertreter des Königs an der Spitze der Beiden Länder“ und „Oberbefehlshaber des Heeres“. Besonders ersterer macht deutlich, dass Haremhab nach Tutanchamun der zweite Mann im Staat war.

Nach Ejes Tod 1319 v. Chr. folgt Haremhab ihm auf den Pharaonenthron. Er usurpiert Bauwerke, Inschriften und Statuen Ejes und Tutanchamuns, darunter auch die Restaurationsstele. Bautätigkeiten entfaltet Haremhab v. a. in Karnak: Die neu errichteten Pylone werden mit Talatat-Blöcken aus dem Großen Aton Tempel verfüllt, ganz Achet-Aton dient in dieser Zeit als eine Art „Baustofflager“. Haremhabs Herrschaft ist durch Expansion und eine klare Führungslinie geprägt, die sich mit seinem Nachfolger Ramses fortsetzt, der als Ramses I. die 19. Dynastie begründet. Unter Haremhab begann die damnatio memoriae der Amarna-Könige.

 


Feldzüge

Die Frage, ob in der Regierungszeit Tutanchamuns Feldzüge durchgeführt wurden und insbesondere, ob der junge Herrscher selbst an ihnen teilnahm, ist in der Forschung umstritten. Möglicherweise fanden militärische Expeditionen im Dienste der Grenzsicherung gegen Nubien und Syrien statt, sicher belegt ist dies jedoch nicht. Die Quellenlage ist widersprüchlich. Es gibt diverse Darstellungen Tutanchamuns, die ihn als siegreichen Feldherren zeigen (z. B. eine bemalte Holztruhe, die in seinem Grab gefunden wurde, aber auch monumentale Darstellungen wie in Karnak), es lässt sich jedoch nicht abschließend sagen, ob diese reale Ereignisse wiedergeben, oder, wie es im Alten Ägypten gebräuchlich war, ikonographische und propagandistische Zwecke hatten. Die Befunde an der Mumie des Pharao wecken Zweifel daran, dass er der Teilnahme an einem Feldzug gewachsen gewesen wäre, siehe Abschnitt 6, „Mumie“.

Bautätigkeit

Tutanchamun entfaltete eine rege Bautätigkeit im ganzen Land bis nach Nubien. In Luxor wurde die Dekoration der von Amenophis III. begonnenen Kolonnade vollendet, in Karnak entstanden zwei neue Kapellen, und die Arbeit an der Sphinxallee wurde wieder aufgenommen. In Medinet Habu begannen die Arbeiten an Tutanchamuns Totentempel. Die Statuen und Bauwerke wurden später von Haremhab und anderen usurpiert, sodass heute kaum eindeutige Spuren vorhanden sind. Zweifellos belegt ist jedoch, dass der junge Pharao sich an allen Orten vor den alten Göttern des ägyptischen Pantheons abbilden ließ. Ganz wie die Restaurationsstele es versprochen hatte, wurden die traditionellen Götter wieder eingesetzt, ihre Tempel restauriert und die Priester wieder eingestellt. In Luxor und Karnak zeigten neue Statuen den Gott Amun mit dem Gesicht Tutanchamuns.

 

⇒ 3 Der Jahrhundertfund: Howard Carter und die Sensation um Grab KV 62