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Ägyptologie-Seminare > Tutanchamun > 4 Grabanlage

Tutanchamun – Die Rückkehr zum alten Glauben / Nach Amarna: Tutanchamun und die Zeit der Restauration

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Sommersemester 2017 und im Wintersemester 2020/21

 

4 Grabanlage und -dekoration

Der Eingang zum Grab des Tutanchamun besteht aus einem Treppenschacht und einem sich daran anschließenden absteigenden Korridor, der in die sogenannte Vorkammer mündet. Von dieser geht eine kleine Nebenkammer ab. Wendet man sich um 90 Grad nach rechts, geht man in gerader Linie auf die etwas tieferliegende Grabkammer zu, deren Wände als einzige dekoriert sind. Von der Grabkammer geht eine kleine Schatzkammer ab.

Was bei einer Betrachtung des Grundrisses als erstes auffällt, ist, wie klein dimensioniert die einzelnen Räume, aber auch die gesamte Anlage im Vergleich zu anderen Königsgräbern im Tal sind. Daraus leitete sich die Vermutung ab, dass der unerwartet frühe Tod des jungen Herrschers dazu führte, dass er in einem nicht für ihn vorgesehenen Grab beigesetzt wurde, in dem aus Zeitgründen nur die Grabkammer noch rasch mit einer Mindestausstattung an königlichen Dekorationsthemen ausgestattet wurde. Erwägt wird in diesem Kontext üblicherweise, dass das Grab Nr. 62, das heute als das des Tutanchamun bezeichnet wird, ursprünglich für den Wesir und Berater des Pharao, Eje, geplant war und dass dieser nach seiner eigenen Thronbesteigung das möglicherweise eigentlich für Tutanchamun angelegte Grab Nr. 23 im Westteil des Tals übernahm.

Die Tatsache, dass nur in der Grabkammer die Wände dekoriert wurden, ist die erste und auffälligste Besonderheit, wenn es um die Ausstattung der Grabanlage geht. Üblicherweise wurden in einem Königsgrab sämtliche Kammern und Gänge mit Reliefs, Texten und Bildern versehen. Es entsteht der Eindruck, dass bei Tutanchamun auch in der Grabkammer nur das Nötigste gemacht wurde, die übliche Dekoration der Decke mit einem Sternenhimmel fehlt. An den Wänden werden die Begräbnisprozession, das Mundöffnungsritual, Szenen aus Amduat und Totenbuch sowie Darstellungen Tutanchamuns vor verschiedenen Göttern gezeigt. Die dargestellten Figuren sind ungewöhnlich groß gehalten, die Szenenauswahl ist dafür sehr klein. Beides könnte erneut auf eine eilige Umwidmung des Grabes und die Verwandlung eines Beamtengrabes in ein Königsgrab hindeuten. Eine weitere Besonderheit von KV 62 ist die in der gesamten Grabkammer verwendete goldene Hintergrundfarbe, die eigentlich typisch für die Amarna-Zeit ist (seit jeher galt Gold im Alten Ägypten als das „Fleisch der Götter“) – ein Indiz für die nachwirkende Strahlkraft der künstlerischen Innovationen dieser Zeit (dieselbe Hintergrundgestaltung findet sich auch im Grab des Eje, KV 23). Die an den Wänden vorhandenen Schimmelflecke stammen offensichtlich bereits aus pharaonischer Zeit und deuten darauf hin, dass das Grab verschlossen wurde, bevor die Farbe ganz getrocknet war. Darüber hinaus finden sich in den Bildern der Grabkammer zwei verschiedene Darstellungsweisen: Das sogenannte 20er Raster, das in der Amarna-Zeit verwendet wurde und das zu einer Streckung bzw. Längung der dargestellten Körper führt, und das sogenannte 18er Raster, welches ansonsten typisch für Darstellungen im alten Ägypten ist (die Alten Ägypter teilten eine mit Figuren zu bemalende Fläche mithilfe eines regelmäßigen Gitternetzes auf, das die Einhaltung der gewünschten Proportionen sicherstellte; die Zahl verweist auf die Anzahl der von oben nach unten zu findenden Reihen des Rasters, in die z. B. eine menschliche Person vom Scheitel bis zur Sohle eingepasst wurde).

Im Folgenden werden die Dekorationen auf den vier Wänden der Grabkammer in chronologischer Reihenfolge kurz zusammengefasst, d. h., die Beschreibung folgt dem funerären Ablauf sowie der Reise des Pharao in die jenseitigen Gefilde.

Ostwand

Die Ostwand zeigt die Begräbnisprozession und damit den Beginn der Reise des verstorbenen Pharao in das Totenreich. Die Mumie Tutanchamuns liegt auf einem Sargschlitten und ist von schützenden Schreinen umschlossen. Der Schlitten wird mithilfe eines langen Seils vorwärts gezogen. Die erste Gruppe der Personen, die den Schlitten ziehen, sind die neun „Freunde des Königs“, wobei neun als Potenz der Zahl drei „alle“ Freunde meint. Sie tragen, so wie auch die anderen dargestellten Personen, ein weißes Stirnband als Zeichen der Trauer. Auf sie folgen zwei Personen mit kahlgeschorenen Schädeln und in weißen Gewändern, die die Schultern freilassen. Bei ihnen handelt es sich vermutlich um die Wesire Ober- und Unterägyptens. Den Abschluss bildet eine nicht benannte Einzelperson, in der üblicherweise Eje gesehen wird, der als Nachfolger Tutanchamuns dessen Sarg und Mumie am nächsten ist.

Nordwand

Die Nordwand umfasst drei verschiedene Szenen:

  1. Das Mundöffnungsritual, mit dessen Hilfe die Mumie ihre Lebensfunktionen zurückerhält. Das Ritual wird von Eje durchgeführt, der dazu in der klassischen Rolle des Sem-Priesters auftritt, überraschenderweise aber durch die blaue Krone bereits als regierender Pharao ausgewiesen ist. Dementsprechend ist in der zugehörigen Beischrift auch sein Name in Kartuschen geschrieben.
  2. Tutanchamun vor Nut. Die Himmelsgöttin begrüßt den Pharao, den sie als ihren Sohn bezeichnet, im Jenseits.
  3. Tutanchamun und sein Ka vor Osiris. Auch dies ist eine Begrüßungsszene, welche die Aufnahme ins selige Jenseits thematisiert.

Westwand

Die Westwand zeigt Szenen aus der 1. Stunde des Amduat, dem ältesten der sogenannten Unterweltsbücher, die in der Zeit des Neuen Reiches entstanden und die vorherrschende Jenseitsliteratur dieser Zeit bilden (erstmaliger Nachweis im Grab Thutmosis‘ I., KV 20). Die Wand wird von zwölf Pavianen dominiert, die Verkörperungen der zwölf Nachtstunden sind. Darüber ist die Barke des Sonnengottes zu sehen, der dort in seiner eigentlich morgendlichen Gestalt des Chepri-Käfers dargestellt ist. Daneben stehen fünf Götterfiguren, die als Geleitschutz fungieren.

Südwand

Die Südwand ist die Verbindungswand zur Vorkammer und wurde bei der Öffnung durch Carter teilweise zerstört, sodass heute nur noch ein Teil der ursprünglichen Dekoration zu sehen ist: Tutanchamun wird von Hathor in ihrer Funktion als Westgöttin sowie Anubis, dem Totengott und Herrn der Balsamierung, begrüßt. Die Göttin hält Tutanchamun das Anch-Zeichen, das Symbol des Lebens, an die Nase. Auf der anderen Wandhälfte waren ursprünglich Isis und drei weitere Gottheiten zu sehen, die Tutanchamun im ewigen Leben empfangen. Diese Szene ist heute nur noch auf Bildern des Grabungsfotografen Harry Burton zu sehen. Die Isis-Szene wirkt unvollständig, da nicht zu sehen ist, wen sie begrüßt (vermutlich den verstorbenen Pharao). Dies lässt vermuten, dass ein weiterer Teil der Szene möglicherweise beim Aufbrechen der Wand zerstört wurde, ohne dass er dokumentiert werden konnte.

 

⇒ 5 Der Grabschatz