Startseite

 

Wissenschaftsjournalismus

Bücher

Übersetzungen

Pressearbeit und Kongresse

Seminare/Lehre

Wissenschaftskommunikation

Ägyptologie

Seminarabstracts

Amarna

Tutanchamun

Historischer Hintergrund

Biographisches

Carter und KV 62

Grabanlage

Grabschatz

Schreine, Särge, Mumie

Hieroglyphen

Unterweltsbücher

Moby-Dick

Ramses II.

Mythologie

Häuser für die Ewigkeit

Literatur der Pharaonen

Sakralarchitektur

Die Entdeckung des Tutanchamun

Die Entzifferung der Hieroglyphen

Literaturwissenschaften

Über mich

 

 

Kontakt

Impressum/Datenschutz

Ägyptologie-Seminare > Tutanchamun > 6 Schreine, Särge, Mumie

Tutanchamun – Die Rückkehr zum alten Glauben / Nach Amarna: Tutanchamun und die Zeit der Restauration

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Sommersemester 2017 und im Wintersemester 2020/21

 

6 Goldene Schreine, kostbare Särge und die Mumie Tutanchamuns: Der Weg in die Unsterblichkeit

Die Mumie Tutanchamuns lag in seiner Grabkammer in drei ineinander geschachtelten, anthropomorphen Särgen im Inneren eines steinernen Sarkophags, der wiederum von vier ineinander geschachtelten Schreinen umschlossen war. Jede dieser schützenden Hüllen unterscheidet sich in ihrer Detailgestaltung deutlich von den anderen. Im Dienste einer besseren Vorstellbarkeit werden sie nachfolgend von außen nach innen gehend betrachtet, d. h. vom äußeren Schrein hin zur Mumie, so wie sich die Anordung auch Howard Carter erschlossen hat.

Der äußerste Schrein erinnert mit seinem doppelt geschwungenen Dach an den sogenannten Sed-Fest-Pavillion. Er besteht aus 20 aus Eichenholz gefertigten Einzelteilen, die, so wie auch die anderen Schreine, von den altägyptischen Handwerkern erst in der Grabkammer zusammengesetzt wurden. Der äußerste Schrein füllt die Grabkammer fast vollständig aus, nur ein sehr schmaler Umweg erlaubte es, ihn im aufgebauten Zustand zu umrunden. Auffällig ist das umlaufende Dekor: Vor einem blauen Hintergrund aus Fayence ist ein immer wiederkehrendes, vergoldetes Muster aus abwechselnd zwei djed-Pfeilern, einem Symbol des Osiris, und zwei Isis-Knoten (tit) angeordnet. Die Verknüpfung dieser beiden Symbole sollte möglicherweise als Garant für das Fortleben im Jenseits dienen.

Der zweite Schrein war mit einem offenen, vergoldeten Holzgestell überbaut, über das ein mit bronzenen Rosetten geschmücktes Leinentuch ausgebreitet war. Er weist eine andere Dachform auf als der äußerste Schrein: Es handelt sich um die sogenannte Per-wer-Form („großes Haus“), welche die traditionelle Form oberägyptischer Schreine darstellt. Auf den Seitenwänden ist der Schrein mit Szenen des Enigmatischen Unterweltsbuches geschmückt, die u. a. die erste bekannte Darstellung eines Uroboros enthalten, einer sich in den eigenen Schwanz beißenden Schlange. Seine Türen zeigen Präsentationsszenen: Auf der linken Tür führt Isis Tutanchamun, der mit der Krone von Ober- und Unterägypten bekrönt ist, vor Osiris. Auf der rechten Tür bringt Ma‘at Tutanchamun, der hier die mit Osiris assoziierte Atef-Krone trägt, zu dem Sonnengott Re-Harachte. Der Name in der Beischrift zeigt Spuren einer Überarbeitung, zuvor scheint dort ein Name mit dem Bestandteil „Aton“ gestanden zu haben.

Der dritte Schrein gleicht in Form und Gestaltung dem zweiten. Seine Türen zeigen je zwei mit Messern bewaffnete Gottheiten, deren Aufgabe es ist, den verstorbenen König zu beschützen. Die Seitenwände sind mit Texten aus dem Unterweltsbuch Amduat und dem Totenbuch beschriftet.

Der vierte Schrein hat die Form des „Palasts des Nordens“. Das Dach ist nicht mehr geschwungen, sondern am vorderen und hinteren Ende von einem aufgestellten, leicht zurückgesetzten Dekorbrett begrenzt. Die Türen zeigen wunderschöne Darstellungen von Isis und Nephthys mit nach vorn ausgebreiteten, leicht nach oben und unten ausgestellten Flügeln. Die Seitenwände sind mit Schutzgottheiten und Sprüchen versehen, die den Pharao und seinen Leib beschützen sollen.

Der Sarkophag besteht aus Quarzit (Sargwanne) und Rosengranit (Deckel). Seine vier Ecken werden von den Göttinnen Isis, Nephthys, Neith und Selket mit geöffneten Armen umfangen, um dem Pharao Schutz zu spenden. Im Inneren des Sarkophags lag die Mumie des Königs in drei ineinander geschachtelten Särgen. Diese lagerten auf einer hölzernen, vergoldeten Bahre, die mit Löwenköpfen geschmückt ist und deren Beine als Löwenfüße gestaltet sind. Zu Carters Erstaunen war die Bahre trotz des immensen Gewichts von mehr als einer Tonne, das sie rund dreieinviertel Jahrtausende getragen hatte, vollkommen intakt.

Der äußerste der insgesamt drei anthropomorphen Särge weist eine Länge von 224 cm auf und besteht aus vergoldetem Zypressenholz. Um ihn in den Sarkophag einzulassen, mussten die altägyptischen Handwerker einen Teil des Fußteils abhobeln – ein deutlicher Hinweis darauf, dass Sarg und Sarkophag nicht aufeinander abgestimmt waren und ggf. nicht beide für Tutanchamun gearbeitet wurden, sondern ursprünglich für verschiedene Begräbnisse geschaffen waren.

Der farbenprächtige zweite Sarg ist 204 cm lang und besteht ebenfalls aus vergoldetem Holz. Zusätzlich ist er in leuchtenden Farben mit dem sogenannten Rischi-Muster (Federmuster) verziert, einem Dekor, das in der Zeit des Neuen Reiches gern genutzt wurde und das z. B. auch für den Sarg der Mumie aus KV 55 verwendet wurde, die von Hawass et al. 2010 als Echnaton identifiziert wurde (siehe Abschnitt 2, DNA-Analysen).

Der dritte, innerste Sarg besteht aus purem Gold. Er weist eine Länge von 187,5 cm auf und wiegt 110,4 kg. Er ist eine handwerkliche Meisterarbeit, deren zartes Dekor sich durchaus mit der berühmten Goldmaske messen kann. Auffällig ist, dass die ursprünglich vorhandenen, vermutlich aus Kalzit gefertigten Augeneinlagen fehlen. Verantwortlich dafür ist wahrscheinlich die auch an dieser Stelle übermäßig verwendete Menge der Salböle und Harze, die den Kalzit aufgelöst haben.

Alle drei Särge zeigen den verstorbenen König in Gestalt des Osiris mit vor der Brust überkreuzten Armen, in den Händen hält er Krummstab und Geißel. Der geflochtene Zeremonialbart sowie Kobra und Geier an der Stirn (die Wappentiere von Ober- und Unterägypten und zugleich Schutzgöttinnen des Pharao) gehören ebenso bei allen drei Särgen zur Ausstattung.

Die Mumie des Tutanchamun ruhte im Inneren des dritten Sarges, Kopf, Hals und Schultern bedeckt und beschützt von der heute weltberühmten goldenen Totenmaske. Diese ist eine meisterhafte Arbeit, die klar erkennbar Stilelemente der Amarna-Zeit aufweist, darunter der feine, längliche Gesichtsschnitt, die vollen Lippen und die deutlich sichtbaren Halsfalten. Das perfekte Bild wird nur auf den zweiten Blick durch zwei Beobachtungen gestört: Erstens wurden die blauen Einlegearbeiten aus zwei verschiedenen Materialien gefertigt, was ungewöhnlich ist, da dieselbe Farbe in einem ägyptischen Kunstwerk üblicherweise immer mit demselben Werkstoff dargestellt wird. Im Fall der Goldmaske wurde jedoch im Gesichtsbereich Lapislazuli verwendet, im Nemes-Tuch handelt es sich um gefärbtes Glas. Zweitens weist die Maske eine Art das Gesicht umlaufende Schweißnaht auf, die von einigen Ägyptologen dahingehend interpretiert wird, dass die Gesichtspartie und die restliche Maske eigentlich nicht zusammengehören, sondern dass das Gesicht des Tutanchamun nachträglich in eine für eine andere Person geschaffene Maske eingesetzt wurde. Unabhängig von diesen Überlegungen gilt die Goldmaske jedoch zu Recht als eines der schönsten Kunstwerke des Alten Ägypten und als Prunkstück des Grabschatzes des Tutanchamun.

Die Mumie

Die originale Autopsie der Mumie Tutanchamuns wurde 1925 von dem Anatom Douglass Derry durchgeführt. Durch die Verwendung einer ungewöhnlich großen Menge an Einbalsamierungsflüssigkeit (v. a. Harze) konnte die Mumie nicht bewegt werden, sondern war quasi im Sarg „festgeklebt“. Das Aufweichen des Harzes mit heißen Messern erlaubte eine teilweise Ablösung, doch um die Mumie tatsächlich aus dem Sarg zu lösen, entschied man, sie in mehrere Teile zu zerlegen und später bei der Rückbettung wieder zusammenzufügen. Derry attestierte im Verlauf der Autopsie u. a. einen Bruch im unteren Bereich des linken Oberschenkelknochens sowie eine lose Kniescheibe. Aufgrund des jungen Alters des Pharaos wurde ein unnatürlicher Tod nicht ausgeschlossen.

1968 und 1978 erfolgen Röntgenuntersuchungen der Mumie. Aufnahmen des Schädels zeigten lose Knochenfragmente im Inneren und eine abweichende Dichte an der Schädelbasis. Die Verletzungen wurden als Resultat eines Schlags auf den Hinterkopf gedeutet, was die Theorie von einem gewaltsamen Tod zu erhärten schien. Diese Ansicht wird auch heute noch oft vertreten, obwohl sie durch die nachfolgend zusammengefassten Ergebnisse einer computertomographischen Untersuchung der Mumie im Jahr 2005 überzeugend widerlegt werden konnte.

CT-Scans der Mumie konnten 2005 erstmals ein klareres Bild vom Gesundheitszustand des jungen Pharao und den möglichen Umständen seines Todes zeichnen. Tutanchamun war zu Lebzeiten vermutlich rund 170 cm groß und hatte einen schlanken Körperbau. Sein Alter zum Todeszeitpunkt konnten die Wissenschaftler auf 18-20 Jahre festlegen. Er war wohlgenährt und hatte sehr gute Zähne. Die Forscher fanden keine Hinweise auf eine Mangelernährung oder auf Infektionskrankheiten in der Kindheit. Die gekrümmte Wirbelsäule, die oft als Indiz einer erblichen Deformierung zitiert wird, beruhe auf einer ungünstigen Positionierung der Mumie durch die Einbalsamierer.

Tutanchamuns gelängten Schädel stuften die Forscher als vermutlich natürliche Variation ein. Eine Gaumenspalte und ein schräg liegender Weisheitszahn gleichen dem Befund bei der Mumie aus KV 55 und legten eine enge Verwandtschaft der beiden Personen nahe (tatsächlich wurden die beiden durch Hawass et al. als Vater und Sohn identifiziert, siehe Abschnitt 2, DNA-Analysen). Der bei Tutanchamun festgestellte Überbiss ist typisch für die Dynastie der Thutmosiden und unterstreicht seine Zugehörigkeit zu dieser Erblinie. Die Untersuchung ergab außerdem, dass die Einbalsamierung offenbar entgegen früherer Theorien sehr sorgfältig durchgeführt worden war. Das Gehirn wurde wie üblich durch die Nase entfernt. Die Knochenfragmente im Schädelinneren, die Anlass zu einer Mordtheorie gegeben hatten, entstanden nach Einschätzung der Wissenschaftler erst bei den Versuchen von Carters Team, die Mumie aus dem Sarg zu lösen, denn sie sind nicht von Einbalsamierungsflüssigkeit umschlossen, was zu erwarten wäre, wenn sie zum Zeitpunkt der Einbalsamierung bereits lose im Schädel gelegen hätten.

Die Untersuchungen lieferten keine Anzeichen für Erberkrankungen wie das Marfan- oder Fröhlich-Syndrom, dafür konnte aber Malaria tropica nachgewiesen werden. Am linken Fuß litt Tutanchamun an Knochennekrose und einhergehend einer Deformität dieses Körperteils, durch die seine Körperbalance vermutlich instabil war. Dies könnte eine Erklärung für die zahlreichen Stöcke sein, die im Grab gefunden wurden und die ggf. tatsächlich benötigte Hilfsmittel waren.

Rätselhaft ist, warum der Mumie Tutanchamuns das Herz fehlt. Die Alten Ägypter maßen diesem Organ die größte Bedeutung bei und betrachteten es als Sitz der Gefühle und des Verstandes. Es war für den Verstorbenen von größter Wichtigkeit, wenn er vor dem Osirianischen Totengericht stand, denn dort musste sein Herz gegen die Feder der Ma’at aufgewogen werden, damit der Tote in das selige Jenseits gelangen konnte.

Mit Blick auf den Bruch im linken Bein konnte das Wissenschaftlerteam nicht eindeutig feststellen, ob dieser prä- oder postmortal entstanden war. Trotz dieser Unsicherheit wird diese Verletzung in Verbindung mit einer anschließenden Infektion heute als die wahrscheinlichste Todesursache angesehen.

 

Wie eingangs festgestellt gehört Tutanchamun zweifelsohne zu den Pharaonen, über die in den vergangenen Jahrzehnten am meisten geforscht und publiziert wurde. Dennoch weisen seine Regierungszeit, seine Familienverhältnisse und sein Tod noch immer viele Fragen auf, und jede gefundene Antwort scheint ihrerseits neue Fragen aufzuwerfen. Der junge Pharao, der kaum zehn Jahre über das Reich am Nil herrschte und der in dieser Zeit vermutlich weitgehend von seinen engsten Beratern Eje und Haremhab gesteuert wurde, hätte vermutlich niemals so viel Bedeutung erlangt, wären nicht er und sein Grab schon bald nach seinem Tod in Vergessenheit geraten, um erst Anfang des 20. Jahrhunderts fast unberührt wiederentdeckt zu werden. Nun aber ist sein Name fast zu einem Synonym für das Alte Ägypten geworden, seine Goldmaske zur Ikone. Die Alten Ägypter glaubten, dass neben einem reinen Herzen und dem Erhalt des Körpers v. a. eines wichtig war, um im Jenseits fortzuleben: Das Erinnern der Nachwelt. Es ist der Ka, eine Art immaterieller menschlicher Doppelgänger, den der Verstorbene an seiner Seite braucht und der seinerseits der Erinnerung der Lebenden bedarf um zu bestehen. Und welches Pharaonen Namen würde besser erinnert, häufiger ausgesprochen als der seine: Tutanchamun.