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Ägyptologie-Seminare > Hieroglyphen > 1 Historischer Hintergrund

Einführung in die altägyptische Hieroglyphenschrift

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2017/18

 

1 Einführung und geschichtlicher Hintergrund: Die Entzifferung der Hieroglyphen
Bildzeichen vs. Bilderschrift

Die Hieroglyphenschrift ist auf den überkommenen Zeugnissen des Alten Ägypten allgegenwärtig. Sie begegnet in den monumentalen Sakral- und Profanbauten der Pharaonen, auf den Säulen und Wänden der Tempel, im Verborgenen der Grabanlagen, auf und in den Sarkophagen der Verstorbenen, in der auf Papyrus festgehaltenen Totenliteratur und als Botschafter auf Stelen und Obelisken, um nur einige Beispiele zu nennen. Oft gehen die Hieroglyphen dabei eine nahezu symbiotische Beziehung mit den sie begleitenden Bildern ein, doch können sie auch allein hochkomplexe, abstrakte Gedankeninhalte transportieren. Ihre Ausführung schwankt von nüchtern-schwarzen Tuschstrichen bis hin zu mit kostbarsten Materialien gefertigten Kunstwerken, die die Grenze zwischen Schrift- und Bildzeichen, zwischen geschriebenem Wort und künstlerischem Ausdruck auf den ersten Blick verschwimmen lassen.

Die frühesten Schriftfunde aus dem Alten Ägypten datieren auf die Zeit um 3200 v. Chr. Sie gehen damit der rund einhundert Jahre später verorteten ersten Reichseinigung voraus und sind noch ein Werk der sogenannten Prädynastik. Zur Zeit des Mittleren Reichs (2119-1794 v. Chr.) sind rund 700 hieroglyphische Schriftzeichen in Gebrauch, eine Zahl, die bis kurz vor Ende des Pharaonenreiches annähernd konstant bleiben wird. Erst in der graeco-romanischen Epoche vervielfacht sich der Zeichenbestand plötzlich und umfasst zu seiner Hochzeit etwa 7000 Zeichen. Nach dem Tod Kleopatras VII. im Jahr 30 v. Chr. wird Ägypten römische Provinz, und die Schriftkunde erlischt allmählich. Aus dem Jahr 340 n. Chr. stammt der letzte Fund eines zusammenhängenden hieroglyphischen Textes, in das Jahr 394 n. Chr. datiert die bislang letzte hieroglyphische Namensinschrift, die auf der Insel Philae entdeckt wurde.

Die Hieroglyphen (von altgriechisch hierós, heilig, und glyphē‚ Eingeritztes) galten im Alten Ägypten als heilige Zeichen, mdw.w nṯr, was so viel bedeutet wie Gottesworte, denn man glaubte, dass der weise Gott Thot die Zeichen erfunden habe. Die Ägyptologie unterscheidet heute drei verschiedene Schreibformen: Neben den Hieroglyphen, die v. a. im Totenkult, für Grabinschriften, Dekrete und politische Inschriften verwendet wurden, gab es das sogenannte Hieratische, eine den Hieroglyphen sehr ähnliche, schnelle Schreibvariante für Pinsel u. ä. Schreibgeräte. Von beiden zu unterscheiden ist das Demotische, die späteste Form des Altägyptischen, die bereits klare Tendenzen zur fließenden Schreibschrift zeigt und v. a. für politische Korrespondenzen genutzt wurde. Aus dem Demotischen entwickelte sich später das noch heute lebendige Koptische.

Nach dem Erlöschen der Schreib- und Lesekompetenz des Hieroglyphischen im 4. Jh. n. Chr. wurden in den folgenden Jahrhunderten unterschiedliche Deutungsversuche unternommen, die im Wesentlichen stets zwei Thesen voraussetzten: Erstens, dass die Hieroglyphenschrift eine Bilderschrift sei, folglich das Dargestellte mit dem gemeinten Inhalt identisch ist, und/oder zweitens, dass es sich um eine Geheimschrift handele, in der die verwendeten Zeichen als Platzhalter für einen anderen Begriff oder gar einen ganzen Gedankengang stehen, der nur dem Eingeweihten bekannt war. Ergebnis dieser Annahmen waren „Übersetzungen“, die zumeist reine Fantasieprodukte waren, weil sie den Zeichen willkürlich Bedeutungen zuwiesen.

Der griechische Geschichtsschreiber Diodor, selbst der Hieroglyphenschrift unkundig, vermutete im 1. Jh. v. Chr., dass die Hieroglyphen metaphorische Bedeutung hätten: So assoziierte er den Falken mit der Idee der Schnelligkeit, das Krokodil mit allem, was dem Sprecher böse erscheint. Der ägyptische Philosoph Horapollon leitete im 5. Jh. n. Chr. die Bedeutung der Hieroglyphen in seinem zweibändigen Werk Hieroglyphica aus dem damaligen Weltwissen ab und erläuterte sie mithilfe eines gedanklichen Dreischritts nach dem Muster „Wenn die Alten Ägypter das Wort A niederschreiben wollten, dann verwendeten sie das Zeichen B, weil C so ist“. Beispiel: Wenn die Alten Ägypter das Wort „öffnen“ niederschreiben wollten, dann verwendeten sie das Zeichen des Hasen, weil dieses Tier seine Augen immer offen hat (Weltwissen zur Zeit Horapollons). Der deutsche Jesuitenpater und Gelehrte Athanasius Kircher entwickelte seine Übersetzungen im 17. Jh. auf der Grundlage seiner umfangreichen Kenntnisse antiker Lehrmeinungen zum Alten Ägypten, die jedoch aufgrund ihrer inhaltlich falschen Grundannahmen zu Aufbau, Struktur und Bedeutung der Hieroglyphenschrift ebenso falsche „Übersetzungsergebnisse“ lieferten.

Erst durch die Entdeckung des sogenannten Steins von Rosette im Jahr 1799 im Rahmen der Napoleonischen Ägyptenexpedition (1798-1801) gelang 23 Jahre später, 1822, tatsächlich die Entzifferung der Hieroglyphen. Neben 35.000 Heeressoldaten hatte Napoleon mehr als 150 Forscher und Gelehrte mit nach Ägypten genommen, deren Auftrag in der wissenschaftlichen Erfassung des Landes in den Kategorien Altertümer, Alltagsleben sowie Tier- und Pflanzenwelt bestand. Die Ergebnisse dieser akribisch ausgeführten Mammutaufgabe wurden 1809-28 sukzessive in der Description de l’Égypte veröffentlicht, einer Sammlung von insgesamt 23 großformatigen, prachtvollen Text- und Bildbänden, die in ganz Europa und Nordamerika eine Ägyptomanie entfachten.

Der trilingual beschriftete Stein von Rosette (französische Bezeichnung des Ortes Rashīd) wurde im Nildelta bei Schanzarbeiten gefunden. Der Stein, ein Bruchstück einer Stele, stammt aus dem Jahr 196 v. Chr. und ist mit einem Priesterdekret beschriftet, das dem ägyptischen König Ptolemaios V. huldigt. Der Text ist in Hieroglyphisch, Demotisch und Griechisch verfasst. Der griechische Text informierte die Entdecker darüber, dass alle drei Varianten inhaltsgleich sind – ein Glücksfund für die noch in den Kinderschuhen steckende ägyptologische Forschung und der langersehnte Königsweg zum Verständnis der Hieroglyphenschrift.

Kopien der Texte wurden an Gelehrte in verschiedenen Ländern versendet, u. a. arbeitete in England Thomas Young an der Entzifferung der Hieroglyphen, in Frankreich Jean-François Champollion. Beide erkennen korrekt, dass die Hieroglyphenschrift keine Bilder- und keine Geheimschrift ist, sondern phonetische Zeichen besitzt. Beide erkennen ebenfalls, dass die von Kartuschen umschlossenen Zeichen Pharaonennamen und alphabetisch zu lesen sind. Mit diesem Ansatz gelingt es wiederum beiden zum ersten Mal, Herrschernamen korrekt zu entziffern. Young bleibt jedoch der Idee verhaftet, dass die Hieroglyphen außerhalb der Kartuschen symbolisch zu lesen, also Ideogramme seien. Mit dieser Annahme steckten seine Entzifferungsversuche in einer Sackgasse. Champollion vermutet dagegen zutreffend die Existenz eines Hieroglyphenalphabets, mit dem sich auch die außerhalb der Kartuschen befindlichen Zeichen entziffern lassen müssten. Dieser entscheidende gedankliche Schritt führte ihn schließlich zum Erfolg.

Im September 1822 war Champollions Entzifferungssystem vollendet. Am 27.09.1822 stellte er seine Ergebnisse in einem Vortrag vor der Akademie der Inschriften und der schönen Literatur in Paris vor. Die Reaktionen reichten von Unglauben bis hin zu Plagiatsvorwürfen. Champollion ließ sich jedoch nicht beirren, sondern teilveröffentlichte seine Erkenntnisse im Oktober 1822 in dem berühmt gewordenen „Brief an M. Dacier“, den Ständigen Sekretär des Instituts. Es folgte die ausführliche Zusammenfassung des Systems der Hieroglyphen im Alten Ägypten im April 1824. Bereits 1825 war Champollion in der Lage, Inschriften aus der Zeit des Neuen Reiches zu lesen und zu verstehen.

Am 4. März 1832 verstarb Champollion im Alter von nur 42 Jahren an einem Schlaganfall. Die Fortführung seines Entzifferungswerkes erfolgte durch Karl Richard Lepsius und Adolf Erman. Champollion hatte mit seiner bahnbrechenden Arbeit nach Jahrhunderten des Schweigens die Tür zu einem echten Verständnis der altägyptischen Kultur wieder aufgestoßen.

 

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