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Ägyptologie-Seminare > Hieroglyphen > 3 Kunst und Magie

Einführung in die altägyptische Hieroglyphenschrift

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2017/18

 

3 Kunst und Magie
Schrift und Bild als Mittel der Realitätsschaffung

Die Funktion und Bedeutung der Hieroglyphen ging im Alten Ägypten weit über die von Schriftzeichen hinaus. Im Folgenden sollen daher unter den Stichworten Schriftmagie, Kunstwerke, Farbmagie und Zeichenmagie andere Aspekte der altägyptischen Hieroglyphen im Mittelpunkt stehen.

Schriftmagie

Im Alten Ägypten kam der Verschriftlichung eines Gedankens eine besondere Bedeutung zu, denn das geschriebene Wort konstituierte unmittelbar Realität: Was geschrieben stand war wahr. Die Authentizität von Ereignissen wurde durch Inschriften, häufig in Verbindung mit bildlichen Darstellungen, nicht nur verifiziert, sondern gleichzeitig generiert: Gemeinsam schufen Text und Bild aus sich heraus die Wirklichkeit, in und mit der die Menschen lebten. Die Verschriftlichung des Gedankens verlieh diesem daher nicht nur Dauer (durch die schriftliche Fixierung), sondern v. a. auch Existenz. Dass diese Macht der Schrift auch für manipulative Zwecke eingesetzt wurde, ist naheliegend und lässt sich z. B. an den Text- und Bilddarstellungen zur Schlacht von Kadesch unter Ramses‘ II. (1274 v. Chr.) verdeutlichen, die das militärische Debakel der Ägypter in einen grandiosen Sieg umdeuten. Ein weiteres Beispiel ist ein Teil des ägyptischen Totenbuches, das sogenannte Negative Sündenbekenntnis, in dem der Verstorbene vor den 42 Richtergottheiten zahllose Freveltaten aufzählt und dabei versichert, diese nicht begangen zu haben. Die Verschriftlichung dieses Bekenntnisses war praktisch gleichbedeutend mit der Wahrhaftigkeit der Aussage und sollte dem Verstorbenen den Weg für den Eingang in das selige Jenseits ebnen.

Eine besondere Bedeutung bekommt das geschriebene Wort bzw. der niedergeschriebene Name einer Person im Kontext der damnatio memoriae. Ziel der damnatio memoriae, in deren Verlauf Namensinschriften und Darstellungen einer Person systematisch zerstört wurden, war die vollständige Auslöschung der Person. Nach Vorstellung der Alten Ägypter verband der Name den Menschen mit der Welt des Seienden (im Diesseits ebenso wie im Jenseits). Die Erinnerung an die Person und das Andenken an ihren Namen erhielten den Ka des Verstorbenen (vorgestellt als eine Art immaterieller Doppelgänger, der die Lebenskraft der Person darstellt). Wurden Namen und Andenken getilgt, vernichtete man auch die Person selbst, denn die Zerstörung der Bilder bzw. die Auslöschung des Namens bedeutete für den Verstorbenen das Abgleiten ins Nichtseiende und damit den endgültigen Tod. So konnten die Hieroglyphen, ebenso, wie sie auf der einen Seite Wirklichkeit und Lebendigkeit generierten, durch ihre Auslöschung auf der anderen Seite auch die Vernichtung des in den Zeichen Festgehaltenen bedeuten. Eine größere Macht ist dem Medium der Schrift wohl kaum beizumessen.

Kunstwerke

Im Alten Ägypten war die Schrift vermutlich Kulturfolger der Kunst. Dies findet seinen Ausdruck z. B. in der häufig stark künstlerisch geprägten Ausgestaltung der Zeichen. So enthalten zahlreiche Pektorale des Tutanchamun nicht nur Zierelemente, sondern auch Hieroglyphen, die so kunstvoll ausgearbeitet sind, dass sie optisch nahtlos mit dem reinen künstlerischen Ausdruck anderer Bestandteile verschmelzen. Die Detailfülle vieler Darstellungen lässt ebenfalls die Verwandtschaft zur Kunst erkennen. Als Beispiele dienten im Seminar eine Biene (bj.t), deren filigrane Flügel realistisch mit zarten, haarfeinen Linien gefüllt sind, und ein Wachtelküken (w), dessen Federkleid lebendig bis hin zur einzelnen Feder ausgeführt ist. Die Tatsache, dass die Anordnung und Anbringung der Hieroglyphen nach ästhetischen Gesichtspunkten erfolgte, ist ebenfalls ein Hinweis auf die Anverwandtschaft der Kunst, da hier der optische Eindruck des Schriftbildes elementarer Bestandteil seiner Gestaltung ist.

Häufig wurden Hieroglyphen farbig ausgestaltet, wobei auffällig ist, dass die Zeichen in der Regel immer mit denselben Farben versehen wurden. Die Farbgebung gehörte offensichtlich zur Aussage des hieroglyphischen Zeichens und erleichterte z. B. das Erkennen einer Gruppenzugehörigkeit des Dargestellten (Pflanzen oder Pflanzenteile wurden z. B. meist in grün dargestellt, s. u.). Der Übergang zwischen Bild und Schriftzeichen erscheint dabei oft fließend.

Farbmagie

Die Auswahl der Farben für bestimmte Hieroglyphen unterliegt im Wesentlichen vier Kriterien: Erstens, der natürlichen Farbgebung des Dargestellten. Zweitens, der gewählten Untergrundfarbe (die Zeichen sollten sich von dieser gut absetzen, um die Lesbarkeit zu erhöhen). Drittens war zu beachten, ob es sich um ein unifarbenes oder ein sogenanntes Multikolor-Zeichen handelte. Im Falle eines Mehrfarbenzeichens waren Abweichungen innerhalb des Farbrahmens dieses speziellen Zeichens eher gestattet als die durch eine Farbänderung vollkommene Abwandlung eines einfarbigen Zeichens. Viertens gab es traditionelle Konventionen zu beachten, beispielsweise, wenn mit einer Farbe ein bestimmter Symbolwert assoziiert wurde und eine „falsche“ Farbwahl zu einer Verfälschung der Aussage des Zeichens führen konnte.

Grün: häufig verwendet für Pflanzen/Natur; symbolisch oft für den Kreislauf des Lebens, Fruchtbarkeit, Frische

Rot: häufig verwendet für Körperteile/Gegenstände aus Holz, aber auch für den Gott Seth, für Wüste und Fremdländer; symbolisch oft für Gefährliches/Böses

Weiß: häufig verwendet für Bekleidung, Gebäude, Festtagsszenen, heilige Tiere; symbolisch oft für Freude und Reinheit

Blau: häufig verwendet für Himmel, Wasser, Blumen; symbolisch oft für Frische, Auferstehung

Gelb: häufig verwendet für Sonne, Gold, Fleisch der Götter; symbolisch oft für Ewigkeit/Unvergänglichkeit

Zeichenmagie

Eine Reihe von hieroglyphischen Zeichen wurde über ihren alphabetischen Charakter hinaus auch emblematisch genutzt, was sich u. a. in ihrer Verwendung als eigenständige Symbole und insbesondere als Amulette ausdrückt. Zu ihnen gehören z. B. das Udjat-Auge, das Anch-Zeichen, der Djed-Pfeiler und der Skarabäus (Abb. 1).

 

Abb. 1 Udjat-Auge, Anch-Zeichen, Djed-Pfeiler und Skarabäus (von links nach rechts). Alle diese Hieroglyphen galten im Alten Ägypten auch als machtvolle Symbole, die gerne in Form von Amuletten getragen wurden.

 

Gefährliche Zeichen

Da Hieroglyphen – wie oben ausgeführt – Realität und Lebendigkeit verleihen konnten, sahen sich die Alten Ägypter mit dem Problem konfrontiert, dass dies ggf. nicht nur in Fällen galt, in denen dies positiv war, sondern auch im Negativen seine Macht entfalten konnte, indem Personen, Tiere oder Dinge zeichenmagisch belebt wurden, die den Menschen Schaden zufügen konnten. Aus diesem Grund bemühten sie sich, „gefährlichen Zeichen“ auf verschiedene Weise diese Macht wieder zu entziehen. Der Ägyptologe Wolfgang Schenkel hat dafür den Begriff Negative Ikonizität geprägt, und meint damit die „Ausschaltung denkbarer Gefahren, die vom bildlich Dargestellten ausgehen könnten.“
Entscheidende grafische Mittel der Gefahrenabwehr waren in diesem Zusammenhang folgende:

Alternative Schriftzeichen: Als gefährlich eingestufte Schriftzeichen wurden durch andere, harmlose, ersetzt.
Beispiel:

Links ist die übliche Schreibweise des Wortes ḥḳr (hungern/dürsten) zu sehen, das mit einem als Determinativ bezeichneten Zeichen endet, das einen Mann darstellt, der die Hand zum Mund führt. Die Alten Ägypter befürchteten, dass diese Figur, magisch belebt, dem Verstorbenen die für ihn bestimmten (Speise-)Opfer streitig machen könnte. Daher wurde die Figur des essenden Mannes durch die des sogenannten „schlechten Vogels“ ersetzt, der nicht nur anzeigt, dass das hier geschriebene Wort eine negative Bedeutung besitzt (hungern/dürsten), sondern auch als ungefährlich eingestuft wurde.

Vermeidung: Als gefährlich eingestufte Schriftzeichen wurden vermieden, indem sie durch ein neutrales geometrisches Zeichen (Kreis, Schrägstrich, gewellte Linie) oder ein anderes, harmloses Zeichen ersetzt wurden (vgl. „Alternative Schriftzeichen“).
Beispiel:

Oben ist die übliche Schreibweise des Wortes ḫft.iu (Feinde) zu sehen, das mit dem Plural anzeigenden dreifachen Determinativ des knienden Mannes mit erhobenen Armen endet. Um dem Feind seine magischen Kräfte zu nehmen, die ihm durch die Verschriftlichung zuteil werden, wurden die drei Männer wahlweise durch einen Kreis und die drei Pluralstriche (unten links) oder durch das Determinativ des sterbenden Mannes (rechts, ebenfalls mit Pluralstrichen) ersetzt.

Mutilitation (Zeichenverstümmelung): Durch das Weglassen von Teilen der hieroglyphischen Figuren (v. a. Arme und/oder Beine) wurden diese ungefährlich und konnten als Zeichen im Schriftbild beibehalten werden.
Beispiel:

Das erste und das dritte Bild (von links) zeigen die jeweils vollständige Hieroglyphe, das zweite und das vierte die jeweils als ungefährlich betrachteten Versionen.

Delendum-Strich: Bei der Verwendung des Delendum-Strichs blieben die Hieroglyphen grundsätzlich unverändert, das als gefährlich eingestufte Zeichen wurde jedoch durch einen diagonalen Strich unschädlich gemacht.
Beispiel:

Dem Determinativ des knienden Mannes wird in dem Wort ḫft.iu (Feinde) durch die Verwendung des Delendum-Strichs sein Gefahrenpotenzial genommen (oben). Gleiches gilt für die gleich zweifache Verwendung des Delendum-Strichs bei der Schlange (unten).

 

⇒ 4 Ästhetik, Redundanzen, Inverse Schriften