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Ägyptologie-Seminare > Hieroglyphen > 4 Ästhetik

Einführung in die altägyptische Hieroglyphenschrift

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2017/18

 

4 Ästhetik, Redundanzen, Inverse Schriften: Das 1x1 der Hieroglyphen
Ausgewählte Beispiele mit Erläuterungen

Die Entscheidung darüber, in welcher Form und Perspektive eine hieroglyphische Figur abgebildet wurde, scheint v. a. von der Prämisse der (Wieder-)Erkennbarkeit geprägt gewesen zu sein. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Ansicht i.d.R. der entspricht, die der Mensch üblicherweise auf das jeweils Dargestellte hat (Abb. 1).

 

Abb. 1 Verschiedene Hieroglyphen wurden in unterschiedlichen Ansichten dargestellt: frontal, seitlich oder von oben. Die Perspektiven sind dabei so gewählt, dass sie dem Blickwinkel entsprechen, aus dem der Mensch das jeweilige Objekt meistens betrachtet. Von links nach rechts: Mund in Frontalansicht, Rind und Vogel in Seitenansicht, Käfer und Eidechse in Aufsicht. Ganz rechts (farbig) ist ein Spielbrett mit Spielfiguren gezeigt. Das besondere an dieser Hieroglyphe ist, dass hier zwei Perspektiven kombiniert wurden: Die Spielfiguren sind von der Seite zu sehen, das Spielbrett in Aufsicht.

 

Die hieroglyphischen Zeichen weisen drei Hauptgruppen auf: Ideogramme, Phonogramme und Determinative (s. Abb. 2). Ideogramme funktionieren als Bildzeichen, d. h., das Zeichen selbst zeigt, was gemeint ist. Bei Phonogrammen hingegen ist der Lautwert des Zeichens entscheidend; häufig werden mehrere Zeichen kombiniert, um aus ihren Lautwerten summarisch ein Wort zu bilden. Determinative sind stumme Zeichen, die der Identifizierung oder Einordnung vorhergehender Zeichen dienen und die die Lesbarkeit des Textes erhöhen.

 

Abb. 2 Ideogramme, Phonogramme und Determinative bilden drei Hauptgruppen der Hieroglyphenzeichen. Einige Hieroglyphen gehören mehreren Kategorien gleichzeitig an, wie hier im Beispiel die Umrisslinie eines Hauses, pr. Von links nach rechts: per = Haus (Ideogramm), perj = hinauskommen (Phonogramm), Determinativ (stumm) = Kennzeichnung von Bauwerken oder deren Teilen.

 

Ideogramme werden häufig mithilfe eines Ideogrammstrichs kenntlich gemacht, sodass der Leser weiß, dass hier nicht der Lautwert, sondern die Hieroglyphe als Bildzeichen zu lesen ist (Abb. 3).

 

Abb. 3 Der Ideogrammstrich zeigt an, dass die Hieroglyphen an dieser Stelle als Bildzeichen fungieren. Von links nach rechts: Stern, Herz, Biene, Sonne, Gott.

 

Phonetische Komplemente

Die phonetischen Komplemente sind Zeichen, die bei Mehrkonsonantenzeichen redundant eine bereits vorhandene Lautwertinformation wiederholen. Sie beugen Fehllesungen vor und sollen zugleich die Lesbarkeit des Textes erhöhen. Es gibt für sie keine einheitlichen Verwendungsregeln, ihr Auftreten scheint eher durch Konventionen bestimmt.
Bei Mehrkonsonantenzeichen mit mehr als einem Lautwert zeigen die phonetischen Komplemente die jeweils korrekte Lesweise an (Abb. 4). Alternativ ist ihre Funktion ästhetischer Natur, d. h., die jeweiligen Wörter könnten auch ohne die beigefügten phonetischen Komplemente korrekt gelesen werden (Abb. 5).

 

Abb. 4 Die beiden Verben „wünschen“ (3b, links) und „leiden“ (mr, rechts) beginnen mit demselben hieroglyphischen Zeichen, werden aber unterschiedlich ausgesprochen. Das jeweils links stehende Mehrkonsonantenzeichen kann je nach Kontext als 3b oder mr gelesen werden. Die beigefügten phonetischen Komplemente (links: Bein = b und rechts Mund = r) stellen unmissverständlich klar, welche Lesart jeweils gemeint ist. Zusätzlich weist das Determinativ des „schlechten Vogels“ auf die negative Aussage des zweiten Verbs („leiden“) hin.

 

Abb. 5 Alle drei hier aufgeführten Beispielwörter könnten auch allein aus den jeweils links stehenden Dreikonsonantenzeichen gelesen werden. Die beigefügten phonetischen Komplemente verschönern jedoch aus altägyptischer Sicht das Schriftbild, sodass sie den Zeichen gerne beigefügt wurden. Dabei konnten sie auch ggf. dazu dienen, die in der Hieroglyphenschrift angestrebten Rechtecke aufzufüllen.

 

Pluralbildung

Um eine Mehrzahl zu bilden, erfolgte entweder eine Dreifachsetzung des Zeichens oder es werden dem einfachen Zeichen drei senkrechte Striche beigefügt (Abb. 6).

 

Abb. 6 Jeweils links die Singularformen der Wörter pr (Haus) und nṯr (Gott). In der Mitte und rechts die beiden Möglichkeiten der Pluralbildung: Dreifachsetzung des Singularzeichens (jeweils Mitte) oder Ergänzung von drei senkrechten Strichen, die sowohl neben- als auch übereinander angeordnet werden konnten (jeweils rechts).

 

Gegenüberstellung

Bei der Gegenüberstellung handelt es sich um eine ungewöhnliche, von der Norm abweichende Anordnung der Hieroglyphen, die i.d.R. aus ästhetischen oder mythologischen Gründen erfolgt. Ein anschauliches Beispiel ist der Geburtsname von Ramses II.

Deutlich sind in der obersten Zeile die beiden Götter Amun (links) und Ra (rechts) zu erkennen, die einander zugewandt sitzen – und somit nach den üblichen Regeln unterschiedliche Lesrichtungen der Zeichen anzeigen würden. Tatsächlich handelt es sich hier um eine Respektsbezeugung gegenüber den Göttern, von denen keiner auf den zweiten Platz verdrängt werden sollte. Sie in solch zugewandter Gesprächshaltung zu zeigen, bringt darüber hinaus eine optimistische und konstruktive Ausstrahlung des hier niedergeschriebenen Namens mit sich.
Eine ähnliche, inverse Anordnung der Schriftzeichen findet sich auch im Monumentalen: Türstürze, Säulendurchgänge und Scheintüren sind beispielsweise beliebte Anbringungsorte, an denen die Schrift nicht durchgehend in eine Richtung orientiert ist. Stattdessen ist sie auf die Person ausgerichtet, die die jeweiligen Durchgänge passiert (Abb. 7).

Abb. 7 Schematische Frontalansicht eines Türdurchgangs bzw. einer Scheintür. Die auf den Pfeilern und dem Türsturz angebrachten Hieroglyphen sind so angeordnet, dass sie stets der durch die Tür schreitenden Person zugewandt sind. Die blaue Linie zeigt die vertikale Spiegelachse – i.d.R. sind die Hieroglyphen links und rechts davon identisch und nur in ihrer Links-Rechts-Orientierung gespiegelt. Auf den Pfeilern wären die Hieroglyphen in mehreren Spalten angeordnet, die hier zur Vereinfachung als eine Spalte dargestellt sind. Gleiches gilt für den Türsturz, der üblicherweise mehrere Hieroglyphenzeilen umfassen würde.

 

⇒ 5 Häufig gebrauchte Formulierungen