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Ägyptologie-Seminare > Ramses II. > 4 Die Bauten des Pharao, 1

Ramses der Große: Pharao, Feldherr, Bauherr – Politik und Pracht im alten Ägypten

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2018/19

 

4 Alles neu – Die Bauten des Pharao, 1: Abu Simbel, Pi-Ramesse

Das unter Ramses II. umgesetzte Bauvolumen steht beispiellos dar: Kein anderer Pharao vor oder nach ihm prägte dem Land so sehr seinen Stempel auf und überzog es von Nord bis Süd mit einer derart gewaltigen Anzahl von Bauwerken, inklusive der besetzten Gebiete weit im Süden und bis hoch nach Palästina.

Seit der 18. Dynastie hatte Sandstein den robusteren Kalkstein als bevorzugtes Baumaterial abgelöst: Da Sandstein ein relativ weicher Stein ist, lässt er sich vergleichsweise schnell und leicht abbauen und bearbeiten. Dies kam Ramses mit seiner ausgeprägten Vorliebe für das Monumentale sehr entgegen, denn so ließen sich auch ambitionierte Bauvorhaben mit einem überschaubaren Zeitaufwand realisieren. Hinzu kam die unter seiner Bautätigkeit zu beobachtende Bevorzugung des versenkten Reliefs, das ebenfalls schneller und einfacher angebracht werden kann als das zeitintensivere erhabene Relief.

Es ist überliefert, dass Ramses z. T. selbst die Standorte für neue Steinbrüche auswählte, sodass davon auszugehen ist, dass sein Interesse an den Bauvorhaben sich auch auf diesen Teil der Arbeit erstreckte. Nachfolgend sollen die Tempelanlage von Abu Simbel und die im Nildelta gelegene Ramses-Stadt Pi-Ramesse genauer betrachtet werden.

Die Tempel von Abu Simbel

Die Tempelanlage von Abu Simbel liegt am Westufer des Nil, ursprünglich zwischen dem ersten und zweiten Nilkatarakt, die heute beide im nach dem Bau des Assuan-Staudamms entstandenen Nassersee untergegangen sind. Zu Ramses’ Zeit befand sich in der Nähe des zweiten Kataraktes die südliche Grenze des Pharaonenreiches. Der Bau der Tempel sollte sowohl als Grenzmarkierung als auch als stetige Erinnerung an die Herrschaft des Pharao über Nubien dienen. Vermutlich wurden sämtliche heute als „nubische Tempel“ bezeichneten Anlagen als Ensemble geplant, mit Beit el-Wali als nördlichstem und Abu Simbel als südlichstem Monument.

Der Bau des Assuan-Staudamms in den 1960er Jahren führte zur Überflutung des gesamten unternubischen Niltals. Ziel war die Schaffung eines gigantischen Trinkwasserreservoirs. Dank internationaler Gelder, Technik und Experten konnten insgesamt 13 Monumente aus der Pharaonenzeit gerettet und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Die Rettungsaktion war ein Wettlauf gegen die Zeit.

Als in den 1950er Jahren Gamal Abdel Nasser, seit 1952 ägyptischer Staatspräsident, plante, durch die Aufstauung des Nils südlich von Assuan ein riesiges Trinkwasserreservoir zu schaffen, drohten mehrere altägyptische Tempel im neuen Stausee unterzugehen. Im April 1959 wendete sich Ägyptens Kultusminister Sarwat Ikasha mit einem Hilfsgesuch an die UNESCO, und am 8. März 1960 bat der UNESCO-Generalsekretär Vittorino Veronese um internationale Hilfe:

„Diese Kostbarkeiten gehören ja nicht nur den Nationen, die sie heute in Verwahrung haben. Die ganze Welt hat ein Anrecht auf ihre immerwährende Erhaltung. Vertrauensvoll lade ich deshalb Regierungen, Institutionen, öffentliche und private Stiftungen und alle Menschen guten Willens ein, ihren Teil zum Erfolg beizutragen.“

Diverse, z. T. utopische Projekte wurden begutachtet. Den Zuschlag erhielt schließlich der Plan schwedischer Ingenieure, der vorsah, die beiden Tempel von Abu Simbel zu versetzen und sie 64 m höher und 180 m weiter landeinwärts wieder aufzubauen. Am 17. November 1963 wurde ein internationales Firmenkonsortium unter der Leitung der Essener Baufirma Hochtief mit der Durchführung des Vorhabens beauftragt.

Kräne, Bagger, Geräte und Baumaterialien wurden aus aller Welt per Schiff angeliefert. Rund 2.000 Archäologen, Techniker, Ingenieure und andere arbeiteten vor Ort. Die Bautätigkeiten am Staudamm nahmen keine Rücksicht auf die internationalen Bemühungen um den Erhalt der Tempel: Im Mai 1964 wird der erste Zulauf zum Stausee freigesprengt, der Wasserspiegel steigt. In einem verzweifelten Rettungsversuch werden die Tempel mit einem Schutzdamm umbaut. Dann scheint doch alles verloren, bis im November 1964 der steigende Wasserspiegel zwei Meter unterhalb der Dammspitze zum Stillstand kommt. Die Arbeiten können nun wieder geordneter weitergehen.

Zunächst werden die Felsen oberhalb der Tempel abgetragen. Der Große Tempel wird mit Hilfe von Trockensägen in 1.036 Einzelteile zerlegt, von denen jedes maximal 30 t wiegen darf. Die vier Kolossalstatuen der Fassade werden von italienischen Marmorexperten per Hand zersägt: Keine Fuge soll später breiter als 6 mm sein. Alle Teile werden nummeriert und auf gepolsterten Tiefladern in ein Zwischenlager gebracht. Am neuen Standort erfolgt der Wiederaufbau. Das Stahlgerüst, das als Stütze ebenso wie als Arbeitsplattform diente, wurde anschließend zu künstlichen Bergen aufgeschüttet. 1968 war das Mammutprojekt erfolgreich abgeschlossen. Die Projektkosten beliefen sich auf 80 Mio. Dollar, und rund 50 Ländern waren an der Rettungsaktion beteiligt gewesen.

Die Rettung der Tempel gab den Anstoß zur Verabschiedung der Welterbekonvention der UNESCO im Jahr 1972. Obwohl die Anlage von Abu Simbel sich nicht mehr im Originalzustand befindet, wurde sie aufgrund ihres Denkmalwertes in die Welterbeliste aufgenommen, ebenso die anderen räumlich versetzten nubischen Tempel. Aktuell (Stand: 22.11.2018) umfasst die UNESCO Welterbeliste 1.092 Stätten in 167 Ländern.

Die Anlage

Die Fassade des Großen Tempels wird von vier kolossalen Sitzstatuen des Königs dominiert. Über dem Eingangsportal befindet sich eine in Hochrelief ausgeführte Figur des Sonnengottes, die frontal aus dem Tempel herauszuschreiten scheint. Links und rechts wird sie von Darstellungen Ramses’ II. flankiert, der in Anbetungshaltung die Hände erhoben hat. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass auch der Sonnengott selbst eine Verkörperung des Ramses ist, denn die ihm beigefügten Attribute lassen sich zusammen mit dem Gott selbst zu einem Rebus zusammensetzen, der den verkürzten Thronnamen des Königs buchstabiert: wsr-maat-ra (Stark ist die Gerechtigkeit des Re) (Abb. 1).

 

Abb. 1 Hieroglyphen, die den verkürzten Thronnamen Ramses’ II. wiedergeben: User-maat-re (wsr-maat-ra). Über dem Eingangsportal des Großen Tempels von Abu Simbel ist die Sonnenscheibe durch eine figurale Darstellung des Sonnengottes ersetzt.

 

Betritt man den Tempel, so findet man sich zunächst in der Großen Säulenhalle wieder, in der acht Statuen des Königs in der Gestalt des Totengottes Osiris den weiteren Weg flankieren. Neben dieser Gleichsetzung stehen die militärischen Erfolge des Pharao im Mittelpunkt des Bildprogramms. Die sich auf gerader Linie anschließende Kleine Säulenhalle widmet sich thematisch der Aufnahme des Königs in den Kreis der Götter. Dieses Thema wird im folgenden Vestibül fortgesetzt und vertieft. Das Allerheiligste schließlich präsentiert Ramses als Gott unter Göttern: Hier bildet ihn eine von vier Sitzstatuen ab, während in gleicher Größe zu seiner rechten Seite die Götter Amun und Ptah zu sehen sind, zu seiner linken Seite der Gott Re-Harachte. Zweimal im Jahr (im Februar und Oktober) ereignet sich in diesem Raum das sogenannte „Sonnenwunder“, bei dem drei der Figuren für ca. 15 Minuten direkt von den Strahlen der aufgehenden Sonne beleuchtet werden (der der unterweltliche Sphäre zugeordnete Ptah bleibt weitgehend im Dunkeln). Dieser Effekt war bereits am alten Standort vorhanden, und auf seinen Erhalt wurde beim Wiederaufbau der Anlage besonderer Wert gelegt.

Der Kleine Tempel von Abu Simbel ist der Göttin Hathor bzw. der sie verkörpernden Nefertari geweiht. Sein Aufbau und seine Gestaltung ähneln denen des Großen Tempels. Die Tempelfassade zeigt insgesamt sechs Kolossalstatuen, vier davon sind Abbilder des Pharao, zwei Abbilder der Großen Königlichen Gemahlin. Bemerkenswert ist, dass Nefertari in gleicher Größe wie ihr Gatte gezeigt wird. Größenverhältnisse, insbesondere von Figuren, sind in der altägyptischen Kunst nicht Ausdruck realer Verhältnisse, sondern bilden die Bedeutsamkeit der gezeigten Personen ab. Die größenmäßige Gleichsetzung Nefertaris mit ihrem Ehemann ist daher ein besonderes Privileg. Im Inneren schließen sich an eine Säulenhalle das Vestibül, in dessen Bildprogramm die Vergöttlichung Nefertaris und ihres Gemahls dargestellt wird, und das Allerheiligste an.

Pi-Ramesse

Die Stadt Pi-Ramesse (Haus des Ramses), die Ramses zur neuen Hauptstadt Ägyptens machte, lag im östlichen Nildelta, rund 120 km nordöstlich vom heutigen Kairo. Heute ist das ehemalige Stadtgebiet weitgehend von Ackerflächen und Feldern sowie der modernen Stadt Quantir überdeckt. Zu Ramses’ Zeit war Pi-Ramesse eine der größten Metropolen des Vorderen Orients. Sie war vermutlich der Ort der umfangreichsten Bautätigkeit während Ramses’ Herrschaft. Sie wurde mit Binnenhafen, Tempeln, Palästen, Kasernen mit Stallungen, Verwaltungsgebäuden, Handwerksstätten, und mondänen ebenso wie einfacheren Wohnvierteln ausgestattet und diente der Repräsentanz von Ramses’ Reichtum und Machtfülle.

Die erste Besiedlung des Gebietes fand vermutlich im Mittleren Reich statt, unter dem Namen „Auaris“ wurde die Stadt in der II. Zwischenzeit Residenzstadt der Hyksos. Wahrscheinlich war sie bzw. die nähere Umgebung auch Schauplatz der Schlacht zwischen den Hyksos und dem aus Theben stammenden Widerstand, aus der Amose I. als neuer ägyptischer Pharao hervorging. Nach einem anschließenden Bedeutungsverlust begann ein erneuter Ausbau der Stadt unter Ramses’ Vater Sethos I. Spätestens ab Ramses’ sechstem Regierungsjahr war Pi-Ramesse wieder Hauptstadt des Reiches, denn hierher kehrte der Pharao nach der Schlacht von Kadesch zurück und ließ sich als Sieger feiern.

Wahrscheinlich blieb Pi-Ramesse noch während der gesamten Ramessidenzeit Hauptstadt Ägyptens. Erst nach der Verlandung des anliegenden Nilarms verlor die Stadt ihre strategische Bedeutung und günstige Verkehrslage nach Oberägypten und zum Mittelmeer. 30 km nordwestlich entstand die Stadt Tanis, die in der III. Zwischenzeit Hauptstadt eines Teils des zerfallenden Pharaonenreiches wurde. Pi-Ramesse wurde als Steinbruch für andere Bauprojekte genutzt.

In ihrer Blütezeit muss Pi-Ramesse jedoch ein Bild ungeahnter Prachtentfaltung abgegeben haben sein. Sie war Hauptstadt und zugleich Hauptquartier des Militärs und diente der Repräsentanz und Prunkentfaltung des Herrschers. In der Stadt herrschte ein internationales Flair: Grabungsfunde belegen umfangreiche Kontakte und einen regen kulturellen Austausch mit der Levante, Zypern und dem mykenischen Griechenland. Es gab eine groß aufgezogene und gut organisierte Glasproduktion sowie die größten bekannten Stallungen der Bronzezeit mit Platz für mehrere hundert Pferde.

Die heutigen Kenntnisse über Pi-Ramesse speisen sich aus drei Quellen:

  1. Primärquellen: Ergebnisse magnetischer Prospektion und archäologische Funde
  2. Sekundärquellen: zeitgenössische Texte, z. B. Hymnus auf Pi-Ramesse, Papyrus Anastasi III, British Museum
  3. (Auszug)
    „O König, wie schön war der Tag Deiner Anwesenheit, als Du bautest ‚Pi-Ramesse-geliebt-von-Amun‘ [...] mit schönen Fenstern und leuchtenden Gemächern aus Lapislazuli und Malachit, Hauptquartier Deiner Streitwagentruppen, Musterungsplatz Deiner Fußtruppen, Hafen Deiner Schiffstruppen [...].“

  4. Tertiärquellen: begründete Spekulationen, die Lücken der materiellen Befunde schließen

Aus diesen Erkenntnissen wurde 2016 erstmals ein 3-D-Modell der Stadt erstellt, das einen guten Eindruck von Struktur und Aufbau der Ramses-Stadt vermittelt.

 

⇒ 5 Höher, größer, weiter – Die Bauten des Pharao, 2: Ramesseum, Karnak