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Ägyptologie-Seminare > Ramses II. > 1 Geschichtlicher Hintergrund

Ramses der Große: Pharao, Feldherr, Bauherr – Politik und Pracht im alten Ägypten

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2018/19

 

1 Einführung und geschichtlicher Hintergrund: Die frühe 19. Dynastie – Zwischen Amarna und den jüngeren Ramessiden

Ramses II. war der dritte Herrscher der 19. Dynastie, die vom Beginn des 13. Jahrhunderts an für gut 100 Jahre die Geschicke des Pharaonenreiches lenkte. Der Umgang mit dem Begriff der Dynastien und ihrer Strukturierung erscheint jedem Ägypten-Interessierten heute selbstverständlich, doch es lohnt gerade am Beispiel Ramses’ II., sich näher mit der Frage zu beschäftigen, wo das heutige Wissen über die Abfolge der Könige und Herrscherhäuser ihren Ursprung hat.

 

Abb. 1 Herrscherfolge im Neuen Reich, 18./19. Dynastie

 

Ramses selbst steht mit seiner Familie zwischen zwei kulturell, religiös und politisch bedeutenden Zeitabschnitten des alten Ägypten: der Amarna-Zeit und der Zeit der jüngeren Ramessiden (s. Abb. 1). Nach einer kurzen Vorstellung der Quellen der altägyptischen Chronologie sollen diese genauer betrachtet werden, da sie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Zeit Ramses’ des Großen liefern.

Chronologie im alten Ägypten

Wichtige Quellen, die Auskunft über die Herrscher und Herrscherfamilien im alten Ägypten geben, sind häufig zeitgenössischer Natur. Naturgegeben können sie daher stets nur Ausschnitte repräsentieren, da sie zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb der Pharaonenzeit einen Rückblick auf die vorangegangene Zeit liefern. Je jünger die Quelle ist, desto mehr Angaben sind möglich, gleichzeitig steigt jedoch auch das potenzielle Maß an Ungenauigkeit mit Blick auf die weiter zurückliegende Vergangenheit. Erschwerend kommt hinzu, dass die alten Ägypter ein von unserem differierendes Verständnis von Geschichtsschreibung bzw. Annalenkomposition hatten: Regelmäßig wurden vorangegangene Herrscher, die aus verschiedenen Gründe rückblickend verfemt wurden, schlicht und kommentarlos aus den Ahnenlisten entfernt und ihre Regierungszeiten den flankierenden Herrschern zugewiesen. Nachfolgend sollen beispielhaft einige der wichtigsten Quellen kurz vorgestellt werden.

Der Palermostein ist das Bruchstück eines Annalensteins aus der 5. Dynastie. Er liefert Informationen über die Herrscher der Prädynastik bis zur 5. Dynastie. Der Turiner Königspapyrus entstand in der Regierungszeit Ramses’ II., kopiert aber vermutlich eine ältere Quelle, da er nur Angaben bis einschließlich der 17. Dynastie umfasst. Die Königsliste von Abydos aus dem Totentempel Sethos’ I. (Ramses’ Vater) ist ein Beispiel für eine selektive Herrscheraufstellung, denn sie verzichtet auf die Nennung der verfemten Pharaonen der Amarna-Zeit (s. u.).

Wichtigste Grundlage der zeitlichen Ordnung des alten Ägypten sind die Schriften des ägyptischen Priesters Manetho, der vermutlich im 3. Jahrhundert v. Chr. im Tempel von Heliopolis (nahe dem heutigen Kairo) lebte. Seine Originalschriften, v. a. das drei Bücher umfassende Werk Aegyptiaca, sind verschollen, doch sind ihre Inhalte aus Teilabschriften und Übersetzungen spätantiker Gelehrter bekannt. Manetho beschäftigte sich mit den Themen altägyptische Politik, Religion und Geschichte. Von ihm stammt die Einteilung der Herrscherfolgen in Dynastien, die er üblicherweise, jedoch nicht ausschließlich, an Herrscherfamilien ausrichtete. Weitere Angaben stammen u. a. aus der Feder des griechischen Geschichtsschreibers Herodot, der Ägypten im 5. Jahrhundert v. Chr. bereiste.

Die Amarna-Zeit

Mitte des 14. Jahrhunderts v. Chr., knapp 75 Jahre vor dem Regierungsantritt Ramses’ II., bestieg Amenophis IV. den Thron. Er war der zweite Sohn des mächtigen Pharaos Amenophis III., der später eine Vorbildrolle für Ramses II. haben sollte. Amenophis IV. führte die von seinem Vater begonnene Stärkung des Sonnenkultes fort. Doch er ging damit sehr viel weiter als sein Vater vor ihm: Nur kurz nach seiner Inthronisierung änderte der junge Herrscher seinen Namen in Echnaton („Dem Aton nützlich“) und tat das Undenkbare: Er ersetzte die Pluralität der altägyptischen Götter durch Aton, die Sonnenscheibe, den er zum alleinigen Gott erhob. Damit schuf er die erste monotheistische Religion der Menschheitsgeschichte. Seine Regierungszeit dauerte jedoch nur 16 Jahre: Sie endete in Unruhen am Königshof und dem Bemühen seiner Nachfolger, die Erinnerung an Echnaton und seine Religion, die dem, was den Kern der altägyptischen Religiosität ausmacht, diametral entgegensteht, für immer zu tilgen.

Der Aton-Kult war eine oktroyierte Staatstheologie. Echnaton fungierte als einziger Mittler und Sprachrohr Atons. Die Verkündung erfolgte durch einprägsame Bilder, doch anders als davor oder danach standen nicht Götterbilder und -szenen im Vordergrund, sondern diese waren durch Darstellungen der königlichen Familie ersetzt, die Echnaton als Abbild göttlicher Liebe und Zuwendung inszenierte. Den religiösen Inhalten des Kultes fehlte die Einbettung in Mythen. Als alleiniger Gott war Aton nicht in Konstellationen eingebunden, von denen hätte erzählt werden können. Seine bildliche Darstellung blieb abstrakt auf das Bild der Sonnenscheibe reduziert. Magie war dem Aton-Kult weitgehend fremd. Die Verfemung und aktive Verfolgung der alten Götter durch Echnaton führte zur landesweiten Schließung der Tempel und Massenentlassungen der Priester. In der Bevölkerung konnte sich Echnatons neue Religion vermutlich nicht nachhaltig durchsetzen. Vielmehr ist zu vermuten, dass die Verehrung der alten Götter im Geheimen fortgesetzt wurde.

Als Echnaton 1336 v. Chr. starb, hinterließ er ein Land, das von Orientierungslosigkeit und Unsicherheit geprägt war. Seine Nachfolger scheiterten am Erhalt des neuen Glaubens ebenso wie an der Konsolidierung des angeschlagenen Reiches. Das Verhältnis mit den alten Eliten war zerrüttet, die Landesgrenzen bedroht. Mit dem Kindkönig Tutanchamun, der vermutlich ein leiblicher Sohn Echnatons war, begann um 1330 v. Chr. die Zeit der Restauration, rund 50 Jahre vor dem Regierungsantritt Ramses’ II.

Die Rückkehr zu den alten Göttern

Nach einer zunächst vorsichtigen Wiederannäherung an die alten Kulte kam unter Tutanchamun spätestens mit der sogenannten Restaurationsstele der endgültige Bruch mit Echnaton und der Amarna-Zeit: Die alten Götter und ihre Priester wurden wieder eingesetzt, ihre Tempel erneut geöffnet und umfänglich restauriert. Die Regierungszeit Echnatons wurde in für das alte Ägypten ungewohnt scharfer und expliziter Form abgelehnt und verurteilt: „Das Land machte eine schwere Krankheit durch: Die Götter hatten sich von diesem Lande abgewendet“, berichtet der Text der Restaurationsstele und betont, dass Tutanchamun vorhabe, die Zustände von vor der Amarna-Zeit wiederherzustellen.

Tutanchamun blieb ohne (männliche) Nachkommen. Mit seinem Tod endete im Jahr 1323 v. Chr. die familiäre Dynastie der Thutmosiden, und es bestiegen nacheinander seine ehemaligen Berater Eje und Haremhab den Pharaonenthron. Der Hohepriester Eje, bei seiner Inthronisierung bereits in weit fortgeschrittenem Alter, verstarb nach nur wenigen Jahren der Herrschaft. Sein Nachfolger Haremhab, zuvor Oberbefehlshaber der Armee, bekräftigte den restaurativen Kurs und verhängte über Echnaton und seine Nachfolger, einschließlich Eje, die damanatio memoriae. Als er selbst 1292 v. Chr. ohne Thronfolger starb, hatte er zuvor einen ehemaligen Armeekameraden zum Nachfolger bestimmt, der als Ramses I. den Pharaonenthron bestieg. Er war der Großvater Ramses’ II., und mit ihm begann die 19. Dynastie und die Zeit der Ramessiden.

Die frühe 19. Dynastie

Ramses I. war, wie Haremhab, der ihm den politischen und sozialen Aufstieg ermöglicht hatte, Mitglied der alten militärischen Führungselite gewesen. Bei seiner Thronbesteigung war er bereits mehr als 50 Jahre alt, er verstarb nach nur 16 Monaten Regierungszeit. Dennoch blieb die gerade erst mühsam wieder errungene Stabilität im Land erhalten, denn Nachfolger wurde sein bereits erwachsener Sohn Sethos, der als Sethos I. für immerhin 14 Jahre die Geschicke des Pharaonenreiches lenken sollte. Von seinem Vater übernahm er einen loyalen Staatsapparat, das alte Pantheon war wieder sicher etabliert und der Amun-Kult noch weiter ausgebaut als je zuvor, mit Amun als unbestrittenem König der Götter (Henotheismus). In seinem dritten bis fünften Regierungsjahr führte Sethos erfolgreiche Feldzüge in Syrien durch, und es kam auch zu Konfrontationen mit den Hethitern im Norden des Landes. Sethos gelang die vorübergehende Einnahme des hethitischen Vasallenstaats Amurru und der strategisch bedeutsamen Stadt Kadesch, die später eine entscheidende Rolle für seinen Sohn, Ramses II., spielen sollte. Diesen ernannte Sethos im Alter von 15 Jahren zu seinem Mitregenten, sodass der junge Kronprinz allmählich in die verantwortungsvolle Rolle des Königs der Beiden Länder hineinwachsen konnte, bevor er mit Anfang 20 selbst zum Pharao gekrönt wurde.

Ramses II. und die jüngeren Ramessiden

Ramses II. hatte von seinem Vater ein nach den Unruhen der Amarna-Zeit wieder befriedetes und gesellschaftlich beruhigtes Land übernommen. Innen- und außenpolitisch hatte Sethos das Land ebenfalls stabilisieren können, die Landesgrenzen waren gesichert und z. T. sogar bereits wieder erweitert, die Wirtschaftslage stellte sich positiv dar. In seiner fast 67jährigen Regierungszeit gelang es Ramses nicht nur, diesen Status quo zu halten, sondern Ägypten zu einer kulturellen und politisch-wirtschaftlichen Blüte zu führen, für die es vor und nach ihm kaum einen Vergleich gibt.

Unter seinen Nachfolgern, den jüngeren Ramessiden, gingen Stabilität und Reichtum Ägyptens jedoch nach und nach verloren. Der Einfluss des Pharaonenreiches schwand. Andere Völker wie die Assyrer, Perser und Makedonen erlebten einen Aufschwung, der die Machtverhältnisse v. a. im östlichen Mittelmeerraum deutlich veränderte. In der 25. Dynastie herrschten Nubier und Kuschiten auf dem Pharaonenthron, Volksgruppen also, die zuvor Vasallen bzw. klassische Feindbilder Ägyptens gewesen waren. Mit der Eroberung Ägyptens durch Alexander den Großen 332 v. Chr. begann die graeco-romanische Epoche, die spätestens mit dem Übergang in die römische Herrschaft das Ende des Pharaonenreiches einleitete. Die Regierungszeit Ramses’ II. darf daher als letzter großer Höhepunkt in sowohl kultureller als auch politischer und wirtschaftlicher Hinsicht betrachtet werden.

 

⇒ 2 Regierungsjahre 1-5: Ein Meilenstein der Weltgeschichte – Anfänge und die Schlacht von Kadesch