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Ägyptologie-Seminare > Ramses II. > 2 Regierungsjahre 1-5

Ramses der Große: Pharao, Feldherr, Bauherr – Politik und Pracht im alten Ägypten

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2018/19

 

2 Regierungsjahre 1-5: Ein Meilenstein der Weltgeschichte – Anfänge und die Schlacht von Kadesch

Geboren wurde Ramses um 1303 v. Chr. unter der Herrschaft von Pharao Haremhab. Das genaue Jahr lässt sich aus den vorliegenden Quellen nicht rekonstruieren. Sein Großvater Ramses I., eigentlich ein ranghoher Militär und nicht von königlichem Geblüt, wurde Nachfolger Haremhabs, der selbst aus den militärischen Rängen aufgestiegen und im Nachklang der Amarna-Zeit auf den Thron gekommen war. Ramses I. bestieg den Pharaonenthron, als sein Enkel Ramses ungefähr zehn Jahre alt war. Als er nach nur rund zwei Jahren verstirbt, folgt Ramses’ Vater ihm als Sethos I. auf den Thron.

Kronprinz, Mitregent, Pharao

Ramses erhält in Memphis eine militärisch-diplomatische Ausbildung sowie Unterricht im Hofzeremoniell, eine Einweisung in den Kult, in die Literatur, die Religion und die Geschichte des Pharaonenreiches.

Mit vermutlich gut zehn Jahren hat Ramses den Rang eines Hauptmanns des Heeres inne und nimmt aktiv an Feldzügen teil. Um nach den noch immer deutlich erinnerten Wirren der Amarna-Zeit eine sichere Thronfolge zu gewährleisten, ernennt Sethos offenbar zunächst statt des noch jungen Ramses einen Offizier namens Mehi zum Nachfolger. Es scheint, dass dieser jedoch nur kurze Zeit bzw. wenige Jahre später verstirbt, sodass nun doch Ramses zum Kronprinzen berufen wird. Bildliche Darstellungen, die Mehi an der Seite Sethos’ I. zeigten, werden unter Ramses’ Herrschaft nachträglich verändert, um den jungen Ramses von jeher in der Position des Thronerben zu zeigen.

Sethos gelingt es, die Reichsgrenzen v. a. nach Nordosten ins heutige Syrien auszudehnen und erfolgreich Bedrohungen aus Westen (Libyer) und Süden (Nubier) abzuwehren. Zugleich entfaltet er eine rege Bautätigkeit, so z. B. in Abydos zu Ehren des Gottes Osiris. Als Ramses etwa 15 Jahre alt ist, ernennt sein Vater ihn zum Mitregenten.

1279 v. Chr. verstirbt Sethos I., und sein Sohn besteigt als Ramses II. mit etwa 24 Jahren den Thron der Pharaonen. Seine Titulatur besteht aus fünf Namen, von denen Ramses wie alle Pharaonen den ersten bis vierten erst bei der Thronbesteigung annimmt (Abb. 1).

 

Abb. 1 Titulatur Ramses’ II. Sie besteht aus fünf Namen, von denen die ersten vier bei der Thronbesteigung angenommen wurden. Die farblichen Markierungen entsprechen denen in der Auflistung 1.-5. darüber.

 

Die Regierungsjahre 1-5 setzen erste Akzente in Ramses’ Regierung: Einmalig in der altägyptischen Geschichte ist, dass Ramses selbst das sogenannte Opet-Fest leitet, eine zweiwöchige Feierlichkeit, in deren Zentrum der Besuch des Amun von Karnak im nahegelegenen Tempel von Luxor steht. Da das Amt des Amun-Priesters zu dieser Zeit nicht besetzt war, übernahm Ramses dessen Rolle und nutzte so geschickt die Gelegenheit, seine besondere Verbundenheit mit dem König der Götter auch dem Volk gegenüber zu präsentieren. Entlang des Nil lässt Ramses die z. T. in renovierungsbedürftigem Zustand befindlichen Bauten seiner Vorgänger restaurieren. Im Totentempel seines Vaters in Abydos wird nach Abschluss der Arbeiten u. a. folgende Inschrift angebracht, die Ramses das Wohlwollen der Götter verheißt:

„Re verspricht Dir Millionen Jahre, Ewigkeit auf dem Horus-Thron der Lebenden. Osiris erbittet langes Leben für Dich vom Himmel, an dem Du jeden Morgen wie Re emporsteigst. [….] Alle Götter sind mit Dir.“

In diese frühe Regierungszeit fallen die auch für Ägypten bedrohlich werdenden Konfrontationen mit den Seevölkern. Ramses scheint der Lage jedoch Herr geworden zu sein, denn Ägypten bleibt in den folgenden Jahrzehnten von weiteren Übergriffen verschont, und Angehörige der Seevölker werden Teil der Leibgarde des Pharao, wie es z. B. die Darstellung von Scherden am Tempel von Abu Simbel illustriert. Um die Goldvorkommen in Nubien noch besser erschließen und abbauen zu können, beschließt Ramses die Errichtung von Brunnen, um die Transportrouten besser und mit weniger Verlusten nutzbar zu machen.

Mit einem Feldzug Richtung Norden, entlang der Küste Palästinas, gelingt Ramses die Gewinnung der Region Amurru im heutigen nördlichen Syrien. Sie dient eigentlich als Pufferzone zum weiter nordwestlich gelegenen Reich der Hethiter. Die Einnahme durch Ramses ruft den hethitischen Großkönig Muwatalli II. auf den Plan, der sich durch das wieder expandierende ägyptische Imperium bedroht sieht.

Das Großreich der Hethiter

Der Ursprung des hethitischen Reiches liegt im Hochland von Anatolien auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Beginnend im 16. Jh. v. Chr. unterwarfen die Hethiter große Teile Kleinasiens und stiegen zur Großmacht auf. Im Süden entstanden Konfliktherde mit den Ägyptern. Ende des 14. Jh. v. Chr. strebten beide Imperien danach, ihren Einfluss auf den Nahen Osten auszudehnen bzw. zu festigen. Im Hintergrund stand der Schutz des eigentlichen Kernlandes ebenso wie der Versuch, die eigenen Grenzen zu erweitern.

Geschürt wurden die Zwistigkeiten zwischen den beiden Großreichen durch die sogenannte Dahamunzu-Affäre, die in den Ausgang der Amarna-Zeit fällt. In einem Brief bittet eine nicht namentlich benannte ägyptische Königin den damaligen hethitischen Großkönig Šuppiluliuma I., ihr einen seiner Söhne als Gemahl zu schicken, da ihr eigener kurz zuvor verstorben sei. Nach anfänglichen Bedenken entsendet der König seinen Sohn Prinz Zannanza, doch dieser stirbt im ägyptischen Grenzgebiet unter ungeklärten Umständen, was von hethitischer Seite als geplanter Anschlag gewertet wurde und eine Kriegserklärung an die Ägypter nach sich zog. Die Kampfeshandlungen verebbten, als im Reich der Hethiter eine Seuche ausbrach, der auch der Großkönig zum Opfer fiel, doch die angespannte Lage zwischen den Reichen blieb bestehen.

Kriegsführung zur Zeit der 19. Dynastie

Das vielleicht wichtigste Element der Kriegsführung war neben der traditionellen Infanterie der Streitwagen. Dieser wurde in Ägypten mit einem Lenker und einem Bogenschützen besetzt, die von einem Läufer begleitet wurden, dessen Aufgabe nicht nur die Verteidigung des Streitwagens war, sondern auch der aktive Angriff auf feindliche Gespanne, v. a. durch das Herunterziehen der Gegner. Der ägyptische Streitwagen verfügte über ein sechsspeichiges Rad, das ihm eine höhere Strapazierfähigkeit verlieh, sodass auch auf unebenem Gelände Geschwindigkeiten von bis zu 20 km/h möglich waren. Die nach hinten versetzte Achse und das sogenannte U-Gelenk verliehen ihm zusätzlich eine hohe Beweglichkeit, eine gewisse Stoßdämpferwirkung sowie eine erhöhte Stabilität. Insgesamt war der Wagen sehr wendig und ideal für den Kampf auf vergleichsweise engem Raum geeignet.

Der größere, schwerere Streitwagen der Hethiter konnte drei Männer tragen – der Läufer „bremste“ die Fahrt folglich nicht, da er sich an Bord befand. Der Wagen eignete sich in besonderer Weise für den Kampf im weiten, offenen Gelände.

Die jeweiligen Vorzüge der beiden Streitwagentypen sollten entscheidenden Einfluss auf den Verlauf und den Ausgang der berühmten Schlacht von Kadesch haben.

Die Schlacht von Kadesch

In seinem 5. Regierungsjahr versetzt Ramses seine Armee in Marschbereitschaft. Er bricht nach Norden auf, um die Hethiter aus dem Grenzgebiet Amurru zu vertreiben. Rund 20.000 Soldaten führt der Pharao mit sich, aufgeteilt auf die vier Divisionen Amun, Re, Ptah und Seth. Jede ist 5.000 Mann stark und setzt sich aus 4.000 Mann Infanterie und 500 mit je zwei Mann besetzten Streitwagen zusammen. Die Armee zieht an der Mittelmeerküste entlang in Richtung Gaza. Nach einmonatigem Marsch erreichen sie die Stadt Schahtuna südlich von Kadesch. Ab diesem Zeitpunkt zieht ein Teil der Armee zunächst weiter nach Westen und erst dann versetzt küstennah ebenfalls nach Norden, parallel zum Hauptteil des Heeres, das sich auf gerader Linie nordwärts bewegt. Ägyptologen sind uneins darüber, ob es sich bei dieser Gruppe um einen Teil der Seth-Division handelt oder um eine unabhängige, als Nearin (nrrn) bezeichnete Elitetruppe. Das Ziel ist jedoch klar: Ramses will Kadesch mit einer Zangenbewegung angreifen. Der weitere Marsch beider Heeresteile verläuft offenbar ohne Probleme.

Etwa 10 km südlich von Kadesch wird das Lager aufgeschlagen. Die letzte Einheit liegt rund 25 km hinter der ersten mit Ramses an ihrer Spitze. Patrouillen nehmen zwei Beduinen gefangen, die berichten, das hethitische Heer befände sich noch 150 km nördlich von Kadesch in Aleppo. Ramses wähnt in Kadesch ein leichtes Ziel und bricht zur Eroberung auf, ohne die Wiedervereinigung seiner Divisionen abzuwarten. In unmittelbarer Nähe zu Kadesch beginnt die Amun-Division, ein neues Lager aufzubauen. Die Division Re liegt ein Stück zurück und bemüht sich aufzuschließen, Ptah und Seth liegen noch weit zurück. Der abgespaltene Teil der Seth-Division bzw. die Nearin bewegen sich vom Mittelmeer kommend irgendwo weiter westlich.

Doch der Hethiterkönig Muwatalli hat Ramses eine Falle gestellt: Die Beduinen haben gelogen. Plötzlich brechen aus den Obstplantagen südöstlich von Kadesch 2.000 hethitische Streitwagen hervor. Die Amun-Division, deren hinterer Teil sich noch im Marsch auf das Lager befindet, zersplittert, die dahinter marschierende Re-Division wird vollkommen aufgerieben. Tausende ägyptische Soldaten sterben im Ansturm der Hethiter. Der Überraschungsangriff gelingt v. a. deshalb, weil die hethitischen Läufer auf den Streitwagen mitfahren, diese also ihre volle Geschwindigkeit ausspielen und die wenigen Kilometer zwischen den Obstplantagen und dem eigentlichen Kampfplatz schnell überwinden können. Ramses hält sich nördlich des Kampfgeschehens in dem im Aufbau befindlichen Lager auf. Seine einzige Verteidigung ist der ungeordnete Teil der Amun-Division, der sich ebenfalls bereits dort befindet und mit dem Lageraufbau beschäftigt ist. Der Pharao ist das nächste Ziel des Angriffes. Einige der ägyptischen Streitwagen fliehen und lassen den König im Stich. Doch plötzlich und unvermutet ebbt der Angriff ab. Statt bis zum Pharao vorzudringen, plündern die hethitischen Truppen das Lager. Bis heute ist eines der größten Rätsel der Kadesch-Schlacht, warum Muwatalli nicht in diesem Moment seine Infanterie ins Feld schickt, die das Kampfgeschehen vermutlich innerhalb kürzester Zeit siegreich beendet hätte. Doch aus unerfindlichen Gründen verharren die Truppen in ihrer Position östlich von Kadesch.

Ramses erweist sich in dieser Situation als erfahrener und besonnener Soldat: Er sammelt seine Leibgarde und die Reste der Amun-und Re-Division um sich und marschiert von Nordosten her mitten hinein ins Kampfgebiet. Entgegen allen Erwartungen gelingt es ihm, die Hethiter zurückzudrängen. Ramses wird diesen Moment später zu einem Alleingang gegen eine unermesslich große Zahl von Feinden stilisieren, den er zu bewältigten in der Lage war, weil sein göttlicher Vater Amun ihm unmittelbar zur Seite stand.

Noch immer könnte Muwatalli die Schlacht unter Einsatz seiner verbliebenen Truppen siegreich beenden – doch weiterhin geschieht nichts. Plötzlich marschieren die Nearin über die nahegelegene westliche Gebirgskette und drängen die Hethiter über den Fluss Orontes zurück. Es ist vermutlich die größere Manövrierfähigkeit der ägyptischen Streitwagen, die auf dem dichtgedrängten Kampfplatz das Blatt zu Gunsten der Ägypter wendet. Nun endlich schickt Muwatalli weitere Streitwagen in den Kampf, doch die Ptah-Division trifft ein und fällt den Hethitern in den Rücken. Die Verluste auf beiden Seiten sind immens.

Ramses entkommt an diesem Tag mit knapper Not Tod oder Gefangenschaft und verliert den Großteil seines Heeres. Doch er verhandelt geschickt: Ein vorübergehender Waffenstillstand und freier Abzug werden vereinbart. Beide Seiten ziehen sich zurück. In Ägypten ebenso wie im Hethiterreich entstehen lebhafte Kampfberichte, die Geschichtsforschern heute ein recht klares Bild von der Schlacht von Kadesch liefern, die als bestdokumentierte militärische Konfrontation der Vorantike und Antike gilt. Obwohl die Schlacht bestenfalls als ein Patt ausgegangen ist, lässt Ramses sich bei seiner Rückkehr nach Ägypten als strahlender Sieger feiern.

Die Kämpfe zwischen Ägypten und dem Hethiterreich setzen sich in den folgenden Jahren (in kleinerem Umfang) fort. 1259 v. Chr. kommt es dann zu dem berühmten Friedensschluss der beiden Großreiche, dem ersten (dokumentierten) paritätischen Friedensvertrag der Menschheitsgeschichte. Er bleibt bestehen bis um 1200 v. Chr. das Hethiterreich im sogenannten „Seevölkersturm“ untergeht. Ägypten kann sich diesem mit Mühe erwehren, um noch fast weitere 1.000 Jahre zu überdauern.

 

⇒ 3 Regierungsjahre 6-66: Biographisches – Ramses als kluger Stratege und Machtpolitiker