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Ägyptologie-Seminare > Ramses II. > 6 Grab und Mumie

Ramses der Große: Pharao, Feldherr, Bauherr – Politik und Pracht im alten Ägypten

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2018/19

 

6 Für die Ewigkeit: Grab und Mumie

Das Ende einer Ära: Ramses stirbt

Ramses II. verstirbt am 19. Tag des ersten Monats der Überschwemmung, am Tag nach dem Neujahrsfest (∼27. Juni 1213). Nachfolger wird sein 13. Sohn Merenptah, der bei Thronbesteigung selbst schon über 60 Jahre alt ist. Nach Ramses’ Tod gelingt es nicht, das Gleichgewicht der Kräfte zu bewahren, und nach dem Tod Merenptahs nur zehn Jahre später entbrennt ein Machtkampf zwischen seinen eigenen Nachkommen und denen des Ramses (Abb. 1).

 

Abb. 1 Thronfolge nach Ramses II. Aus den beigeschriebenen Verwandtschaftsverhältnissen wird deutlich, dass es sich hier um einen generationenübergreifenden Erbrechtsstreit innerhalb der Familie handelt. Mit Sethnacht, über dessen Herkunft Unklarheit besteht, beginnt eine neue Dynastie, welche neben Sethnacht selbst die jüngeren Ramessiden (Ramses III.-XI.) umfasst, denen es aber ebenfalls nicht mehr gelingt, an das goldene Zeitalter unter ihrem Namensvorbild anzuknüpfen.

 

Das Grab

Ramses’ Grab liegt an der Einmündung des Tals der Könige und zählt mit einer Länge von 140 m und einer Grundfläche von 868,4 m2 zu den größten Grabanlagen im Tal. Die vermutete Bauzeit beträgt rund zwölf Jahre. Seit der Amarna-Zeit wurden die altägyptischen Gräber entlang einer geraden Achse angelegt, doch Ramses‘ Grab weicht von dieser Norm ab. Der Grund für die Aufgabe der geraden Linie ist aller Wahrscheinlichkeit nicht religiös-symbolischer Natur, sondern geologischer: Just an dem Punkt, an dem das Grab in einem Winkel von annähernd 90 Grad abknickt, liegt in gerader Verlängerung eine mächtige, poröse Mergel-Ader.

Die Wanddekoration des Grabes ist vollständig in erhabenem Relief ausgeführt. Das Bildprogramm umfasst neben Begrüßungsszenen sowie dem Mundöffnungsritual und Opferhandlungen die großen Werke der Jenseitsliteratur: die Sonnenlitanei, das Amduat, das Pfortenbuch, das Buch von der Himmelskuh und das Totenbuch.

Noch erkennbare Besonderheiten des Grabes sind eine im Hochrelief ausgeführte Statue des Gottes Osiris, die so in ähnlicher Form sonst nur aus dem Grab der Söhne des Ramses (KV 5) bekannt ist, und die Dekoration des Schachtes des Ritualbrunnens, bei der es sich um eine bislang einmalige Befundung handelt (es werden Szenen aus dem Amduat gezeigt).

Unruhige Geschichte

Grabplünderungen gab es im Tal der Könige offenbar bereits ab der 20. Dynastie, z. T. unter Beteiligung der Nekropolenwächter. Unter Ramses XI. fand eine Inspektion des Grabes von Ramses II. statt, mit dem Ergebnis, dass die Mumie des Herrschers in neue Binden gewickelt und in das Grab seines Vaters Sethos I. überführt wurde.

Im 11. und 10. Jh. v. Chr. wurde Ramses’ Mumie restauriert, anstelle kostbarer Amulette mit einem aufwändigen Blumenschmuck versehen und schließlich in die heute als Cachette (frz. Schlupfwinkel, Versteck) bekannte Anlage bei Deir el-Bahari überführt, wo auch weitere königliche Mumien versteckt und „katalogisiert“ wurden.

Ramses’ Grab im Tal der Könige war in der graeco-romanischen Epoche noch immer in Teilen zugänglich, antike Touristen hinterließen ihre Namen im ersten Korridor. Nachdem das Grab nahezu vollständig mit Ablagerungen großer Sturzfluten verfüllt war, die sich im Austrocknen zu einer betonähnlichen Masse verbinden, folgte eine lange Zeit der Ruhe. Erst mit der Napoleonischen Expedition erwachte das Interesse an der Grabanlage Ramses des Großen wieder.

1817 unternahm der Britische Generalkonsul in Kairo, Henry Salt, einen Freilegungsversuch. 60 m Korridor wurden freigeräumt, doch schon bald durch weitere Fluten erneut überschwemmt und mit Schutt versperrt.

1829 starteten Jean-François Champollion und Ippolito Rossellini einen weiteren Ausgrabungsversuch. Ihr Ziel war neben der Aufnahme der Hieroglyphen das Auffinden der sogenannten „Goldenen Kammer“. Die zäh verlaufenden Arbeiten wurden jedoch schließlich abgebrochen, denn Champollion musste während seines Aufenthaltes in Ägypten noch weitere archäologische Stätten besuchen, und Rossellini glaubte ohnehin, dass das Grab unvollendet geblieben sei.

1844 gräbt Karl Richard Lepsius im Auftrag des preußischen Königs in KV 7. Lepsius glaubt nicht, dass das Grab unvollständig ist und hält trotz der schwierigen Räumungsarbeiten und der beständig drohenden Einsturzgefahr durch, bis er schließlich die Grabkammer erreicht. Die Enttäuschung ist groß, als er feststellt, dass diese ausgeraubt und die Mumie verschwunden ist.

Seit den 1990er Jahren ist der Franzose Christian Leblanc im Grab tätig. Die Freilegung ist mittlerweile bis einschließlich der Grabkammer fortgeschritten, abzüglich des Ritualbrunnens und einiger Nebenkammern. In der Grabkammer fanden die Archäologen Bruchstücke des Sarkophages, der offenbar aus Kalzitalabaster gefertigt und mit Bild-Text-Kompositionen des Pfortenbuchs versehen war. Der Kalksteinsockel war mit Löwenköpfen geschmückt. Der aus einem Kalzitblock hergestellte Kanopenkasten, von dem ebenfalls nur Bruchstücke gefunden wurden, war mit farbigen Pasten eingelegt und an den Kanten mit geflügelten Göttinnen geschmückt.

Außerdem im Seminar besprochen: weitere Fundstücke sowie Szenen der Grabdekoration.

Mumie

1881 bemerkt Gaston Maspero, damals Direktor der ägyptischen Altertümerverwaltung, einen Anstieg qualitativ hochwertiger altägyptischer Antiquitäten auf dem Schwarzmarkt und beauftragt seinen Mitarbeiter, den deutschen Ägyptologen Emil Brugsch, mit der Untersuchung des Vorgangs. Schon bald gerät die Familie Abdel Rasoul in Verdacht, und es stellt sich heraus, dass diese bereits zehn Jahre zuvor einen offenen Schacht gefunden hatte, der zu einer unterirdischen Kammeranlage führt, in der Mumien, Särge und Grabbeigaben z. T. übereinandergestapelt worden waren. Brugsch lässt sich die Kammern zeigen und entdeckt vor Ort beinahe 40 königliche Mumien, darunter einen Sarkophag mit dem Thronnamen Ramses’ II.

Maspero lässt aus Angst vor weiteren Plünderern die Kammer von 300 Arbeitern innerhalb von nur drei Tagen räumen und alles ins Boulaq Museum am Rande Kairos bringen. Am 1. Juni 1886 wird die Mumie aus dem Sarg mit dem Namen Ramses’ II. unter Aufsicht Masperos ausgewickelt, um ihre Identität zu klären. Die Hoffnung bestätigt sich: Eine Kartusche nahe am Herzen trägt Ramses’ Thronnamen User maat re setep en re.

Die Mumie war locker in weite Leinenbinden gewickelt, darüber zahlreiche Blumengebinde arrangiert. Maspero holt den Rat des in Kairo lebenden deutschen Botanikers Georg Schweinfurth ein und bittet um eine botanische Bestimmung und die Konservierung des vergänglichen Schmuckwerks. Schweinfurth identifiziert drei Pflanzen als Bestandteile des Blumenschmucks:

  1. Blaue Seerose (öffnet sich bei Tag)
  2. Weiße Seerose (öffnet sich bei Nacht)
  3. Immergrüner Mimusop-Baum

1883 erhält Schweinfurth von Maspero große Teile des Blumenschmucks, die nach der Präparation an Museen und Sammlungen in London, Paris, Leiden, Zürich und Berlin überstellt werden.

1907 wird die Mumie vom Boulaq Museum in das neue Ägyptische Museum überführt. Doch hier gibt es zwei Probleme: Durch den großen Besucherandrang befindet sich viel CO2 in der Raumluft und die Wärme zusammen mit der Feuchte der Nilüberschwemmung begünstigen den Verfall der Mumie. Eine Quecksilberbedampfung soll Abhilfe schaffen, doch der Verfall setzt sich fort, und die Mumie wird schließlich aus der Ausstellung entfernt.

Erst 1975 werden die sterblichen Überreste des Pharao erneut ausgestellt, doch die Mumie ist in einem erbärmlichen Zustand und droht endgültig zu verfallen. Der französischen Ägyptologin Christiane Desroches Noblecourt, Leiterin der Ägyptischen Abteilung des Louvre, gelingt für das Jahr 1976 die Organisation einer Ramses-Ausstellung in Paris. Damit verbindet sie die Hoffnung, dass auch die Mumie nach Paris gebracht und dort von Experten untersucht und hoffentlich vor der weiteren Zerstörung bewahrt werden kann. Das kühne Vorhaben gelingt: Im Musée de l’Homme arbeiten 100 Wissenschaftler und Techniker daran, den Verfall der Mumie aufzuhalten. 60 unterschiedliche Pilze werden auf ihr identifiziert. Die Experten empfehlen eine Bestrahlung mit Gammastrahlen, die tatsächlich das erwünschte Ergebnis bringt, sodass die Mumie bis heute erhalten geblieben ist.

Was weiß man heute über Ramses den Großen? Zusammenfassung der Ergebnisse des Egyptian Mummy Projects

Ramses war mit einer vermutlichen Körpergröße von 170-173 cm ein für seine Zeit großgewachsener Mann. Das Alter bei Todeseintritt lag zwischen 87und 92 Jahren. Die Wissenschaftler stellten keine fatalen Erkrankungen oder Gewalteinwirkungen zu Lebzeiten fest, es scheint also, dass Ramses eines natürlichen, altersbedingten Todes starb. Degenerative Veränderungen am Skelett, die sich in Verknöcherungen und Versteifungen an der Wirbelsäule und diversen Gelenken manifestieren, deuten auf eine heute als DISH-Syndrom bekannte Erkrankung hin, die mit zunehmendem Alter zur Ausbildung eines leichten Buckels geführt haben dürfte.

Der Gebisszustand der Mumie erwies sich als sehr schlecht: Neben einem starken Abrieb stellten die Forscher Karies und einen entzündeten Abszess fest, der Ramses vermutlich starke Schmerzen verursachte.

Bei der Mumifizierung wurde wie üblich das Gehirn entfernt und anschließend eine Harzmasse in den Schädel eingefüllt. Um den Körper mit gerade ausgerichtetem Kopf einbalsamieren zu können, brachen die Balsamierer die Halswirbelsäule zwischen dem fünften und sechsten Wirbel.

Damit die Augen nicht eingefallen wirkten, wurden unter den Augenlidern kleine Leinenpäckchen platziert. Weitere Auspolsterungen erfolgten an der rechten Wange und in der Nase. Neben Harz wurden dafür kleine Leinenpäckchen mit Pflanzensamen verwendet (einmaliger Fund), u. a. vom Schwarzen Pfeffer, der als Importware aus dem indischen Raum eingeführt worden sein muss und damit eine kostbare Ware darstellte. Als Abschlusspfropfen wurden kleine Tierknochen verwendet.

Die Entfernung der Eingeweide erfolgte über einen 16,5 cm langen, senkrechten Schnitt in der linken Bauchseite oberhalb des Beckenknochens. Magen, Leber, Lunge und Darm wurden entfernt und separat in Kanopen beigesetzt, der Schnitt vermutlich anschließend mit einer Goldplatte kaschiert. Das Herz, in der Vorstellung der alten Ägypter der Sitz des Verstandes und der Emotionen, verblieb im Körper. Die Leibeshöhle wurde mit Textilien verfüllt, in Ramses’ Fall einem kostbaren Leinengewand mit eingewebten Goldfäden und blau gefärbten Fäden.

Im Leben wie im Tod fasziniert Ramses II. die Menschen bis heute. Seine lange Regierungszeit, seine diplomatischen Errungenschaften, die sich v. a. in dem berühmten Friedensvertrag im Nachgang der Schlacht von Kadesch manifestieren, seine Statuen, seine Bauwerke – all das prägt das heutige Verständnis und das heutige Bild vom alten Ägypten in einer Weise, wie wohl kaum ein anderer Herrscher es vermocht hat.

1884 äußerte der deutsche Ägyptologe Heinrich Brugsch angesichts der zarten Blumengebinde, die die Mumie des Pharao mehr als zwei Jahrtausende geschmückt hatten:

„Der Begriff der Zeit verschwindet und die Worte des altägyptischen Totenbuches, daß die endlose Zeit nur ein Tag und die Ewigkeit nur eine Nacht sei, gewinnt vor diesen trockenen Pflanzen eine faßbare Gestalt.“