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Ägyptologie-Seminare > Literatur der Pharaonen > 3 Biografien, Lehren und Klagen

Die Literatur der Pharaonen
Prosa und Poesie im Alten Ägypten

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2021/22

 

3 Biografien, Lehren und Klagen

Im Alten Reich entstanden in den Gräbern der Beamten die Laufbahn- und Idealbiografien. Häufig wurden sie im Kontext von Scheintüren notiert, wo sie von den Nachfahren des Verstorbenen beim Besuch des Grabes rezipiert werden sollten, damit dessen Name erinnert und ausgesprochen und so sein Fortleben im Jenseits gesichert wurde. Diese erzählenden Inschriften, modernen (Auto-)Biografien nicht unähnlich, bilden – wie Jan Assmann herausgearbeitet hat – die Grundlage der altägyptischen Literarizität. Anders als in der Laufbahnbiografie ersetzt in der Idealbiografie der Ausdruck von Lob und Vertrauen des Königs in den Grabeigner oft die Benennung beruflicher Stationen bzw. konkreter Leistungen und Erfolge. Ein Beispiel dafür ist die Biografie im Grab des Ptahschepses, eines Wesirs der 4./5. Dynastie (26./25. Jh. v. Chr.), in der redundant betont wird, Ptahschepses sei „hochgeschätzter beim König als jeder andere Diener“.

Ebenfalls testamentarischen Charakter besitzen die altägyptischen Lehren. Sie stellen Sammlungen von Lebensweisheiten dar, mit deren Hilfe der verstorbene Vater den beruflichen und sozialen Aufstieg des Sohnes befördern wollte, um diesem eine respektable Position in der Gesellschaft zu sichern. Grundlage der Verhaltensmaximen ist stets das Prinzip der Ma’at (Gerechtigkeit), wie z. B. in der berühmten Lehre des Ptahhotep, der beispielsweise empfiehlt, „nicht schlecht über irgendeinen Menschen“ zu reden und jederzeit „geduldig auf das Wort des Bittstellers“ zu hören. Anders als die meisten altägyptischen Literaturformen nennen die Lehren den Autoren- und Adressatennamen. Sie beginnen zumeist mit der Formel: „Lehre, die [der König] NN für seinen Sohn NN verfasst hat“. Den Wert der tradierten Weisheit bringt Die Lehre für Merikare auf den Punkt, in welcher der Vater dem Sohn anrät, „ein Meister im Reden“ zu sein, „damit du mächtig sein mögest! Die [wichtigste] Waffe [eines Königs] ist seine Zunge, die Rede ist machtvoller als jeder Kampf mit Waffen, und einen Mann mit wachem [klugem] Geist kann man nicht hintergehen. [....] Die Ma'at erreicht ihn durch die Ratschläge, welche die Vorfahren ausgesprochen haben.“

Während die Lehren eine generationsübergreifende, konstruktive Weitergabe von Erfahrungen zum Ziel haben, stellen die Klagen eine negative, oft traumatisch anmutende Verlustschilderung dar, die eben das Fehlen der Ma’at beklagt. Das vielleicht berühmteste Beispiel dieses Textgenres ist Der beredte Bauer, ein auf vier Papyrusfragmenten aus dem Mittleren Reich erhaltener Klagen-Text. Die Geschichte spielt in der I. Zwischenzeit, stammt aber vermutlich erst aus der 12. Dynastie. Sie schildert, wie ein Bauer zum Verkauf seiner Waren ins Niltal reist, auf dem Weg um seinen Besitz betrogen wird und darüber in Herakleopolis Beschwerde bei einem Beamten und Vertrauten des Königs erhebt. Der König erfährt vom außerordentlichen rhetorischen Geschick des Bauern und weist seinen Vertrauten an, diesen hinzuhalten, um in den Genuss möglichst vieler redegewandt vorgetragener Hilfsgesuche zu kommen. Erst nachdem der Bauer neunmal mit zunehmendem Unmut sein Leid geklagt hat wird er schließlich erhört und sein Verlust mehr als kompensiert.

Ein weiteres bekanntes Beispiel sind Die Prophezeiungen des Neferti, deren Entstehungszeit ebenfalls in der 12. Dynastie vermutet wird. Die Handlung spielt am Hof König Snofrus, des Begründers der 4. Dynastie. Auf der Suche nach Zerstreuung weist Snofru seine Beamten an, ihm jemanden zu bringen, der ihn mit Schöner Rede unterhält. Die Wahl fällt auf den Priester Neferti, der auf die Aufforderung des Königs hin, etwas über die Zukunft zu berichten, ein düsteres Bild des zukünftigen Pharaonenreiches entwirft. Der Text beschreibt eine Welt am Abgrund. Formulierungen wie „Geschaffenes ist wie Ungeschaffenes“ machen deutlich, dass sich die Schöpfung in Auflösung befindet. Am Ende steht die Erlösung durch einen messianischen König, der Ägypten vor dem Untergang rettet. Hinter ihm verbirgt sich deutlich erkennbar Amenemhet I., der Begründer der 12. Dynastie, dessen Anspruch auf den Thron wenig gefestigt war und der durch Die Prophezeiungen des Neferti eine (möglicherweise von ihm selbst beauftragte) literarisierte Herrschaftslegitimation erfährt.

 

⇒ 4 Prosatexte