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Ägyptologie-Seminare > Literatur der Pharaonen > 5 Kurzgeschichten

Die Literatur der Pharaonen
Prosa und Poesie im Alten Ägypten

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2021/22

 

5 Kurzgeschichten

Die vielleicht bekannteste, episodenhaft gestaltete Kurzgeschichte der altägyptischen Literatur ist Der Streit von Horus und Seth. Es handelt sich dabei unausgesprochen um die Fortsetzung des Osiris-Mythos, in der erzählt wird, wie der zum Mann herangewachsene Horus von seinem Onkel Seth die Krone Ägyptens zurückfordert, denn Seth hatte Horus' Vater Osiris heimtückisch ermordet und anschließend den Thron Ägyptens bestiegen. Horus beansprucht diesen nun für sich, woraufhin ein langwieriger, vor einem Göttertribunal verhandelter Streit um die Frage entbrennt, wer von den beiden Kontrahenten – der junge, unerfahrene Horus oder der mächtige Kämpfer Seth – besser geeignet und vor allem auch berechtigt ist, über Ägypten zu herrschen. Am Ende siegt, auch moralisch gestützt, das genealogische Prinzip über das Leistungsprinzip: Horus wird König Ägyptens, Seth muss sich mit der Herrschaft über die Wüste und die Fremdländer zufrieden geben.

Das Figurenpaar Seth–Horus ist in anderem Kontext ein Symbol des Friedens und der Einheit: Als „Vereiniger der Beiden Länder“ (Ober- und Unterägypten) symbolisieren sie Harmonie und Eintracht. Gemeinsam beschützen sie in dieser Funktion das Königtum und den Pharao, zu dessen primären Aufgaben die Wahrung der Landeseinheit gehörte. Eine solche Ambivalenz begegnet – wenn auch nicht ganz so offensichtlich – auch an anderen Stellen der altägyptischen Mythologie, so z. B. mit Blick auf den Schlangendämon Apophis und/oder das uranfängliche Chaos, aus dem der Schöpfergott einst die Welt hervorbrachte und in die diese in ferner Zukunft zurückkehren soll. Das Chaos ist damit nicht nur ein Ort der Auflösung der geschaffenen Ordnung, sondern auch des ursprünglichen und möglicherweise erneuten Neubeginns.

Die Auseinandersetzung, die im Streit von Horus und Seth mit hohem Unterhaltungswert und manchmal fast schon grotesk-komischen Szenen präsentiert wird, speist sich also aus den beiden definierenden Mythen des Alten Ägypten: dem Sonnen- und dem Osiris-Mythos. Während ersterer den Gott Seth als vortrefflichen Kämpfer des Sonnengottes gegen des Erzfeind Apophis zeigt, etabliert ihn der zweite wie oben beschrieben als finsteren Brudermörder, der aus Neid und Missgunst den guten König Osiris tötet, um die Krone an sich zu bringen. Aus diesem shakespearisch anmutenden Dramenstoff machen die Alten Ägypter über weite Strecken eine unterhaltende, kurzweilige Posse, in der gelogen und betrogen wird, in der sexuelle Gewalt und derber Humor Hand in Hand gehen und die die Götter in vielen Bereichen entmystifiziert, indem sie mit den gleichen Unzulänglichkeiten zu kämpfen haben wie die Menschen im irdischen Leben.

Das Zweibrüdermärchen hingegen ist ein komplexes, symbolisch aufgeladenes Märchen, in dessen Zentrum das Schicksal zweier Brüder steht, deren Lebensglück immer wieder durch ihre Frauen bedroht ist. Weite Teile der Geschichte spielen außerhalb Ägyptens (im Libanon), was sie in die Nähe des Sinuhe rückt. Die Idee der Heimatland- und Gottesferne ist damit zwar grundsätzlich gegeben, wird jedoch nicht zu einem eigenen Themenstrang erhoben, vermutlich, da der Ursprung der Geschichte wahrscheinlich ein (profanierter) Göttermythos ist, denn die Namen der Brüder, Anubis und Bata, sind tatsächlich von Figuren des altägyptischen Pantheons entlehnt und werden – wohl mindestens in einer ursprünglichen Version der Geschichte – mit der Götterstandarte geschrieben. Möglicherweise handelt es sich beim Zweibrüdermärchen um eine Komposition ursprünglich mehrerer (ggf. zwei bis fünf) Einzelgeschichten, die erst später zu einer kohärenten Erzählung verwoben wurden.
Der Text erzählt, wie die beiden Brüder Bata und Anubis gemeinsam mit Anubis‘ Frau einträchtig in einem gemeinsamen Haus leben und der junge Bata seinem Bruder bei der Feldarbeit und anderen anfallenden Arbeiten bereitwillig zur Hand geht. Eines Tages beschuldigt Anubis‘ Frau Bata fälschlich der versuchten Vergewaltigung, worüber sich die Brüder entzweien und viele Prüfungen bestehen müssen, bevor sie wieder zueinander finden. Wie von einem Märchen nicht anders zu erwarten, geht am Ende alles gut aus: Bata wird zum König Ägyptens gekrönt, und als er nach 30 erfolgreichen, friedlichen Jahren verstirbt, folgt sein Bruder Anubis ihm sogar noch auf den Thron. Ende gut, alles gut, möchte man sagen.

 

⇒ 6 Lyrik