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Ägyptologie-Seminare > Literatur der Pharaonen > 6 Lyrik

Die Literatur der Pharaonen
Prosa und Poesie im Alten Ägypten

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2021/22

 

6 Lyrik

Das vielleicht berühmteste Gedicht des Alten Ägypten ist Das Gespräch eines Lebensmüden mit seinem Ba. Üblicherweise wird es als Zwiesprache eines suizidalen Mannes mit seiner Seele verstanden, ohne dass sich bislang einordnen ließ, worin dessen Todessehnsucht ihren Ursprung hat. Da der Anfang des dialogischen Textes fehlt, wurde in der Forschung diskutiert, ob es nicht ggf. wie z. B. in der Geschichte des Schiffbrüchigen eine Rahmenhandlung gibt, die den Text in einen Zusammenhang setzt. 2017 wurden im Museu Bíblic de Mallorca Papyrusfragmente als Teile des Lebensmüden identifiziert. Sie legen u. a. nahe, dass der Mann schwer erkrankt ist und im Tod einen Ausweg aus dieser Situation sucht. So ergibt es auch in besonderer Weise Sinn, dass das sogenannte „3. Lied des Mannes“ mit den Worten „Der Tod steht heute vor mir, wie das Genesen eines Kranken, wie das Herauskommen nach dem Ende einer Krankheit“ beginnt. Der Ba-Vogel, die „Seele“ des Mannes, widerspricht und versucht, ihn dazu zu bewegen, am Leben festzuhalten. So entfaltet sich eine mehrteilige Rede und Gegenrede, die in Form von Reden, Parabeln und Liedern gestaltet ist. Am Ende gelingt es dem Ba, den Mann vom weiter bestehenden Wert des Lebens zu überzeugen, und verspricht diesem, im Diesseits wie im Jenseits an seiner Seite zu bleiben.

Eine besondere Rolle spielen in der altägyptischen Lyrik die Harfnerlieder. Während sie im Alten Reich vor allem mit dem königlichen (Toten-)Kult in Verbindung stehen, weitet sich ihre Bedeutung im Mittleren Reich weiter aus und kulminiert im Neuen Reich in einer auch inhaltlichen Neuausrichtung der Texte. Während die Harfner klassischerweise in Gesangform traditionelle Lobpreisungen der Götter rezitierten, hinterfragten die Harfnerlieder in der Nach-Amarna-Zeit tradierte Überzeugungen und den Sinn des Totenkultes selbst. In vielen Texten dieser Zeit wird eine Hinwendung zum Diesseits propagiert, die scheinbar in starkem Gegensatz zu der sonst ganz auf das Erreichen der erstrebten jenseitigen Existenz ausgerichteten Lebensführung steht. „Bedenke: Niemand kehrt wieder, der einmal gegangen!“, mahnt das stilbildende Antef-Lied und rät stattdessen „Vermehre dein Wohlbefinden, und lass dein Herz dessen nicht müde werden!“
In Folge dieser unverhohlen das irdische Leben bejahenden Texte entstehen im Neuen Reich zahlreiche, überraschend intime Liebesgedichte, mal sinnlich, mal kokett-frivol, mal leidenschaftlich und körperbetont. Sie sind weitgehend frei von dem sonst oft eher formalen, stringenten Zugang der Alten Ägypter zur Literatur und zelebrieren die Freude und Erregung des diesseitigen Lebens, die Lust am Leben selbst.

Die Literatur der Pharaonen spricht zu uns über die Jahrtausende hinweg. Sie gewährt uns einen ganz anderen Einblick in die Gedanken und die Herzen der Alten Ägypter, die wir sonst vor allem aufgrund ihrer fantastischen Bauwerke und faszinierenden Kunstobjekte zu verstehen suchen. Und so bleibt festzustellen, dass ihre Gedanken über das Leben und die Fragen danach, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, Jahrtausende später unseren eigenen (noch immer) frappierend ähneln und uns befähigen, auf diesem Weg eine zusätzliche, stärker emotional geprägte Anbindung an das Pharaonenreich aufzubauen, die unseren Blick auf die Alten Ägypter und unser Verständnis ihrer Kultur noch einmal erheblich erweitert.