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Ägyptologie-Seminare > Literatur der Pharaonen > 2 Religiöse Texte

Die Literatur der Pharaonen
Prosa und Poesie im Alten Ägypten

Kurzzusammenfassung zur Seminarnachbereitung
Veranstaltung im Kontaktstudium der Universität Hamburg im Wintersemester 2021/22

 

2 Religiöse Texte

Die Pyramidentexte des Alten Reiches gelten als die ältesten religiösen Texte der Menschheit. Erstmals belegt sind sie in der Pyramide des Unas (5. Dynastie, Herrschaftszeit ca. 20 Jahre zwischen 2367 und 2297 v. Chr.), entdeckt wurden sie dort 1880/1 von Gaston Maspero. Auffällig ist, dass die Pyramidentexte noch gänzlich auf eine Bebilderung verzichten, wie sie für die Jenseitstexte des Mittleren und Neuen Reiches prägend werden. Die Texte berichten in bereits literarisierender Form von der Himmelsfahrt des verstorbenen Pharao und dienen der Zurverfügungstellung magischer Fähigkeiten, die dem verstorbenen König den Aufstieg an den Himmel ermöglichen sollten.

Der heute plakativ als „Kannibalenspruch“ bezeichnete Pyramidentext 273 f. erzählt mit kraftvollen, aufwühlenden Bildern davon, wie König Unas Kräfte für seine Jenseitsreise sammelt.

„Das Himmelsgewölbe ist voller Wolken, die Sterne dunkel, die hohen Bögen des Himmels erzittern, die Knochen des Erdgottes Aker beben, [dann] versiegen alle Bewegungen, [in dem Moment,] wenn sie Unas erkennen, mächtig wie ein Gott, der von seinen Vätern Leben bezieht und sich von seinen Müttern ernährt. [....] Unas ist es, der Menschen verschlingt und von Göttern lebt [....] Unas ist der, der sich ihre Zauberkräfte einverleibt und der ihre Geistkräfte verschlingt. [....] Unas steht an der Spitze der Edlen im Horizont. Unas ist der Gott, der älter ist als die Ältesten. [....] Unas Lebenszeit ist die Ewigkeit, seine Grenze reicht bis an die Unendlichkeit [...].“

Die sich im Mittleren Reich aus den Pyramidentexten entwickelnden Sargtexte speisen sich einerseits aus deren Fundus, ergänzen sie aber andererseits um neue Sprüche (alternativ wäre denkbar, dass es sich bei diesen „neuen“ Sprüchen ebenfalls um Pyramidentexte handelt, die aber – bis jetzt – an keinem pyramidalen Fundort belegt sind). Sie sollten offenbar vom Verstorbenen im Moment seines Wiedererwachens gelesen werden und betonen so die literarisierende Rezeption, anders als die Pyramidentexte, die weitgehend dialogisch strukturierte Sprache, wie z. B. Rituale, abbilden und damit eher modernen dramatischen Texten ähneln. Im literaturgeschichtlichen Zusammenhang sind aus dem Kontext der Sargtexte vor allem die Sprüche 1029-1130/1185 von großem Interesse, die üblicherweise als Zweiwegebuch bezeichnet werden und in denen eine erzählend-literarische Bearbeitung der Jenseitsreise stattfindet, die der modernen Heldenreise vergleichbar ist. Sie endet mit dem Zusammentreffen mit Osiris und dem Eingang in das paradiesische Jenseits.
Das Zweiwegebuch seinerseits hat maßgeblichen Einfluss auf die Unterweltbücher des Neuen Reiches genommen, v. a. das Amduat und das Pfortenbuch, deren detaillierte Beschreibungen der jenseitigen Topografie ohne das Zweiwegebuch kaum denkbar sind. Wie Kapitel unterteilen sie die Nachtfahrt des Sonnengottes in die zwölf Stunden der Nacht, und es wird ein kohärenter Spannungsbogen aufgebaut, dessen Klimax die Erneuerung des Schöpfergottes am tiefsten und dunkelsten Punkt der Nacht (Mitternacht) ist. Er findet seine Fortsetzung in der Reise zum morgendlichen Horizont. Die Idee des Geheimnisvollen, des Verborgenen ist hier allgegenwärtig. In der Einleitung zur fünften Nachtstunde des Amduat heißt es:

„Der große Gott wird auf den gespurten Wegen der Unterwelt [des Totenreiches] dahingezogen, in der oberen Hälfte der geheimnisvollen Höhle des Sokar [Totengott], der auf seinem Sand ist. Nicht sichtbar und nicht erkennbar ist dieses geheime Bild des Landes, das unter dem Gottesleib ist. [....] Die geheimnisvollen Wege des Westens, die Tore, durch die Zugang zum verborgenen Raum erlangt wird, der unnahbare Ort des Sokar-Landes [...]. [....] Nicht bekannt und nicht sichtbar, nicht erkennbar ist dieses Bild von Horus [Sokar].“

In der 18. Dynastie kommt es unter Pharao Echnaton (1351-1334 v. Chr.) zu einem einmaligen religiösen, politischen und gesellschaftlichen Umsturz. Echnaton verwirft das über Jahrtausende gewachsene, Hunderte von Göttern umfassende Pantheon und ersetzt es durch den Aton-Kult, der nur noch die Verehrung eines Gottes kennt: des sich in der Sonnenscheibe manifestierenden Schöpfergottes Aton. Ihm zu Ehren verfasst vermutlich Echnaton selbst den Großen Sonnengesang, der sich als eine literarische Mischform aus Gebet und Gedicht präsentiert. Es ist ein hochpoetischer Lobpreis des Schöpfergottes, der in Achetaton, der damaligen Hauptstadt Ägyptens, im Felsgrab des Eje (Grab Nr. 25, Südfriedhof) erhalten ist.

„Schön gehst du auf im himmlischen Lichtland, du lebendige Sonne, du Ursprung allen Lebens. [....] Deine Strahlen umarmen alle Länder bis an das Ende deiner vollkommenen Schöpfung. [....] Versinkst du [...], so ist die Erde in Dunkelheit, im Zustand des Todes. Die, die schlafen in der Kammer, ihre Köpfe sind verhüllt und sie sehen einander nicht. [....] Ein jedes Raubtier ist aus seiner Höhle hervorgekommen, und alles Gewürm sticht. Die Dunkelheit ist ein Grab, und die Erde liegt in Schweigen [...]. Am Morgen bist du aufgestiegen im Lichtland und strahlst als Sonne des Tages. Du verscheuchst die Dunkelheit, du gibst [uns/deiner Schöpfung] deine Strahlen [...]. [....] Wie wirkmächtig sind deine Pläne, du Herr der unendlichen Zeit!“

Der Text schwelgt in den beschriebenen Naturphänomenen, in der Pflanzen- und Tierwelt des Alten Ägypten. Literaturwissenschaftlich interessant ist auch die intertextuelle Beziehung zu dem erheblich jüngeren biblischen Psalm 104.

 

⇒ 3 Biografien, Lehren und Klagen